Dr. med. Pius Tomaschett, 1923 – 2006

Dr. med. Pius Tomaschett hat den Hippokratischen Eid ins Rätoromanische, genauer gesagt, ins Sursilvan übersetzt. Er ist für uns Vertreter einer Ärztegeneration, die z.T. Unglaubliches an persönlichen aber auch über die Arzt-Patient-Beziehung hinausreichenden Engagements erbracht hat. Der folgende Lebenslauf spricht für sich.

Dr. Pius Tomaschett wirkte ab 1953 als Hausarzt in Trun/GR wo er z.T. als einziger Arzt  mehr als 5000 Patienten Tag und Nacht und über grosse Distanzen hinweg betreute. Weit über seine Arbeit mit den Patienten hinaus wirkte er auch entscheidend mit an der Entwicklung der medizinischen Grundversorgung in der Surselva. 1953 war er Mitbegründer des Bündner Oberländer Ärztevereines, den er dann von 1976 bis 1991 präsidierte, zwischen 1956 und 1992 war er Mitglied des Bündner Oberländer  Spitalvereins und zwischen 1960 und 1993 versah er zusätzlich die anspruchsvolle Funktion  als Bezirksarzt.

Zu seinen erklärten Aufgaben gehörte auch die ärztliche Betreuung der verschiedenen Samaritervereine in seinem Praxisgebiet. Denn auch die Laien sollten, seiner Ansicht nach fachkundig helfen können.

1962 initiierte und organisierte er, zu der Zeit noch nicht selbstverständlich, eine Schulzahnklinik für die ganze Surselva über die Gemeinde- und Bezirksgrenzen hinweg.  1970 bis 1987 engagierte er sich aktiv an der Organisation für Mütterberatung und Kinderpflege. Ebenfalls war er als Vorstand der Pro Juventute Rerin anteriur von 1953 bis 1991 tätig.

Nicht nur die Jugend, sondern auch die Betagten und Behinderten sollten in der Region fachlich gut betreut werden können. Deshalb hat Dr. Pius, neben seinem Engagement im Beruf, sich für den Bau des Asil St. Martin, das Alters- und Pflegeheim in Trun, zuerst Anfang der sechziger Jahre als Initiant, dann als Präsident der Baukommission und zuletzt als Präsident des Stiftungsrates eingesetzt.

Nicht zuletzt ist es ihm zu verdanken, dass das Schulheim für Behinderte Casa Depuoz, heute eine der bedeutendsten sozialen Organisationen der Surselva , gegründet wurde. Jahrzehntelang stand er der Stiftung als Vorstandsmitglied und später als Präsident zur Verfügung. Dank der Schaffung dieser zwei Institutionen, sind heute  nachhaltig 136 Arbeitsstellen, Voll- und Teilzeit, geschaffen worden.

Es wäre nicht Dr. Pius, wenn die Geschichte hier aufhören würde. Die Medizin und das Gesundheitswesen waren das Eine, die Aktivitäten im Dienst der Allgemeinheit, aber auch der Kultur und der Kunst das Andere.

Aktive Politik hat Dr. Pius dann interessiert, wenn es um das Wohl und die Bildung seiner Mitbürger ging. Deshalb war er während 16 Jahren Mitglied des Schulrates, davon 8 Jahre als Präsident. Dabei hat er der Lehrerschaft immer mit Rat und Tat zur Seite gestanden.

Noch mehr Engagement für die Allgemeinheit zeigte er während 26 Jahren als Präsident der Kirchgemeinde, von 1966 bis 1992. Aus religiöser Überzeugung und aus seinem ausgeprägten kulturellen Empfinden heraus, hat er sich für die kirchlichen Belange stark gemacht. Die Zeichen, die er gesetzt hat, sind heute noch sichtbar. Verschiedene Kapellen und zuletzt die Pfarrkirche sind mit seiner Mithilfe renoviert worden.

Auf die Frage nach dem Sinn des Lebens antwortete er seinem Sohn: „Dem Nächsten zu dienen“ Im Nekrolog kommt, was damit gemeint ist, in folgenden Worten zum Ausdruck: „Was Du uns allen, die mit Dir zu tun hatten, gezeigt hast, ist der tief gründende Respekt vor den Mitmenschen. Diese Achtung hast Du damit begründet, dass in jedem einzelnen Menschen etwas einzigartiges, etwas wundervolles sei, dass es zu bewahren und zu pflegen gäbe. (…)

In (der) Gott gewollten und Gott geschaffenen Seele war Deine Achtung vor den Mitmenschen begründet. Und Deine Achtung vor diesem Unermesslichen, Einzigartigen und Grossartigen bewog Dich, Dein ganzes Leben lang den Mitmenschen zu dienen. Deine Achtung vor diesem Göttlichen im Mitmenschen war so gross, dass Du Dich selbst dem Nächsten hingegeben hast. Dies machtest Du mit einer beeindruckenden Bescheidenheit Dir selbst gegenüber und mit Demut vor dem Göttlichen  im Mitmenschen. (…)

Den Dienst am Mitmenschen hast Du immer ohne Vorurteil, unabhängig von Sympathie oder Antipathie und ohne Beachtung des Sozialstatus des Nächsten geleistet. Die Patienten dankten Dir mit der vertrauten und vertraulichen Anrede „Dr. Pius“ als Ausdruck der persönlichen engen Verbundenheit mit Dir. Du warst den Patienten nicht nur ein medizinischer Leistungserbringer. Du warst mehr. Du warst ein enger Vertrauter und Berater.“

 

Dieser Lebenslauf von Dr. Pius Tomaschett entstammt, grossenteils wörtlich, der Würdigung der beiden Söhne Marc und Martin an Ihren Vater anlässlich seiner Beisetzung im Jahre 2006. Beide Söhne haben das Erbe Ihres Vaters angetreten:, Marc Tomaschett als Jurist und Geschäftsführer des Bündner Ärztevereins, sein Bruder Martin als „Dr. Martin“ , Hausarzt und Heimarzt der Casa St. Martin in Trun (GR). Die Schwiegertochter Gabriella Tomaschett amtet u.a. als Präsidentin der Casa Depuoz und als Präsidentin der Gesundheitskommission des Grossen Rates von Graubünden.