Abstimmung über das Referendum gegen die Änderung des Fortpflanzungsmedizingesetzes (FMedG) am 5. Juni 2016

In der eidgenössischen Volksabstimmung vom 5. Juni 2016 wurde das revidierte Fortpflanzungsmedizingesetz FMedG angenommen. Die Hippokratische Gesellschaft Schweiz hatte sich für die Ablehnung dieses Gesetzes eingesetzt . Es ist beachtlich, dass – bedingt auch durch die höhere Stimmbeteiligung – gesamtschweizerisch 50’000 Menschen mehr als in der Abstimmung vom 14. Juni 2015 (Verfassungsänderung zur Fortpflanzungsmedizin), nämlich insgesamt 897’549 ein «Nein» in die Urne legten.

In der breit angelegten Kampagne der Gegner des revidierten FMedG war es gelungen, die brisante ethische Problematik dieses Gesetzesvorhabens in den Vordergrund zu rücken. Die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik, d.h. der genetischen Untersuchung von im Labor erzeugten Embryonen, führt zu einem grundsätzlich anderen Umgang mit dem Leben! Alle so erzeugten Embryonen können mit allen bekannten genetischen Tests untersucht und in «lebenswert» und »nicht lebenswert» klassifiziert werden. Menschen entscheiden, welcher Embryo weiter leben darf, welcher tiefgefroren und welcher vernichtet wird. Der Selektion sind damit keine Grenzen gesetzt -Mutationen in rund 4000 der 20’000 Gene sind heute als krankheitsverursachend identifiziert und es werden immer mehr! Spezielles Augenmerk muss auf den Umgang mit und die Interessen an den überzähligen, tiefgefrorenen Embryonen gelegt werden.

Unmittelbar nach der Abstimmung hat sich einmal mehr bestätigt, dass die Befürworter einer schrankenlosen Fortpflanzungsmedizin zur Erreichung ihrer Ziele eine «Salamitaktik» anwenden. Die heute in der Schweiz aus guten Gründen verbotene Eizellenspende soll bald «diskutiert» werden, dies unter dem Titel der Gleichberechtigung von Mann und Frau (die Samenspende ist bereits erlaubt). Eine lächerliche Argumentation, wenn man bedenkt, wie einfach der Vorgang einer Samenspende im Vergleich zu demjenigen einer Eizellenspende ist…

Die Hippokratische Gesellschaft Schweiz wird die Entwicklung weiter beobachten und sich mit ethisch fundierten Stellungnahmen einbringen.

Zur Erinnerung: Das Schweizer Stimmvolk hat am 14. Juni 2015 der Verfassungsänderung von Art. 119 Abs. 2c BV zugestimmt. Damit ist die genetische Untersuchung von künstlich erzeugten Embryonen (In Vitro Fertilisation, IVF) vor deren Einpflanzung in die Gebärmutter (Präimplantationsdiagnostik, PID) grundsätzlich möglich geworden. Viele Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sagten Ja zur Verfassungsänderung mit der Absicht, erst bei der Formulierung des Ausführungsgesetzes, dem «Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG)», die Grenzen zu ziehen.

Gegen dieses Gesetz, das als umstrittensten Punkt auch das sogenannte Chromosomenscreening (Suche nach Chromosomenstörungen) enthält, ist im Dezember 2015 das Referendum zustande gekommen. Das Schweizer Stimmvolk am 5. Juni 2016 die Gesetzesrevision angenimmen.
Die Hippokratische Gesellschaft Schweiz hatte sich im überparteilichen Komitee aus rund 50 Bundesparlamentarierinnen und Bundesparlamentarier von BDP, CVP, EVP, Günen, SP und SVP aktiv an der Unterschriftensammlung beteiligt. (fmedg-nein.ch)

Das Referendum wurde auch von weiteren Organisationen ergriffen:
evppev.ch
vielfalt-statt-selektion.ch
biorespect.ch
pid-stoppen.ch
edu-schweiz.ch
human-life.ch

Worum geht es im geänderten Fortpflanzungsmedizingesetz?

Anwendungsbereiche der PID: Art. 5a Abs. 1-3
Zentrale Änderung ist die Einführung eines neuen Artikels 5a Abs. 1-3 mit dem Titel «Untersuchung des Erbguts von Keimzellen und von Embryonen in vitro und deren Auswahl». Dadurch würde die genetische Suche nach Erbkrankheiten bei erblich belasteten Paaren und nach Chromosomenstörungen von Keimzellen und Embryonen bei allen Paaren möglich. Das heisst: grundsätzlich könnten alle ausserhalb des Mutterleibes erzeugten Embryonen mit allen technisch zur Verfügung stehenden Gentests im Reagenzglas untersucht und selektioniert werden. Mit dieser Untersuchung könnten beispielsweise Embryonen mit dem Down-Syndrom (Trisomie 21) vor der Verpflanzung in den Mutterleib eliminiert werden.
Von der Dreier- zur Zwölferregel: Art. 17 Abs. 1
Neu dürften pro Behandlungszyklus zwölf Embryonen entwickelt werden. Im geltenden Gesetz sind es deren drei. Also entstünde eine immense Anzahl überzähliger Embryonen.
Zulassung der Konservierung von Embryonen
Heute ist das Konservieren von Embryonen verboten (Art. 17 Abs. 3, FMedG). Diese Bestimmung soll aufgehoben werden und die sog. Kryokonservierung – also das Tiefgefrieren von Embryonen – würde damit erlaubt. Welche Schäden am Embryo dadurch entstünden, ist noch unbekannt.

Argumente

NEIN zur Embryoselektion!
Durch den neuen Artikel 5a Abs. 1-3 würde – neben der problematischen Suche nach Erbkrankheiten für einige wenige Paare pro Jahr – die eklatante Ausweitung der flächendeckenden Suche nach Chromosomenstörungen für alle künstlichen Befruchtungen möglich. So könnten die gescreenten Embryonen bei Auffälligkeiten, z.B. einem Down-Syndrom (Trisomie 21), eliminiert werden. Darüber hinaus könnten Embryonen durch die Untersuchung Schaden nehmen, tödlich verletzt werden oder auch gesunde fälschlicherweise ausgesondert werden.
Die Präimplantationsdiagnostik inklusive Chromosomenscreening beinhaltet die Auswahl der sogenannt besten Embryonen im Labor. Sie wählt aus zwischen wertvollem und minderwertigem Leben. Dies setzt für unsere Gesellschaft und deren humane Zukunft falsche Signale.

NEIN zu einem «Lebendversuch»
Gemäss Angabe der europäischen Dachorganisation der Fortpflanzungsmedizin ist der Nutzen des Chromosomenscreenings für kinderlose Paare wissenschaftlich nicht erwiesen. Studien zufolge ist die Erfolgsaussicht einer Schwangerschaft nach dem Screening sogar niedriger. Darum rät beispielsweise das deutsche PID Zentrum Lübeck auf ihrer Webseite entschieden von dieser Technik ab. Die Durchführung des Chromosomenscreenings an menschlichen Embryonen ohne erwiesenen Nutzen entspricht einem «Lebendversuch» und ist ethisch nicht vertretbar.

NEIN zur Salamitaktik hin zu einer schrankenlosen Fortpflanzungsmedizin!
Mit einem Nein setzen Sie dem Gesetzgeber ein Signal gegen die stete Ausweitung hin zu einer schrankenlosen Fortpflanzungsmedizin. Einige Politiker fordern bereits die Herstellung von Retterbabys und die Eizellspende. Für manche sind auch die gemäss Verfassung verbotene Embryonenspende und die Leihmutterschaft kein Tabu mehr. All diese Forderungen könnten durch das geänderte FMedG «optimiert» durchgeführt werden.

NEIN zur Diskriminierung von Menschen mit Behinderung und deren Eltern!
Der Chromosomen-Check führt zu einer Diskriminierung von Menschen mit Behinderung, indem sie als unerwünschte und vermeidbare Risiken betrachtet werden, und zu einer schleichenden Entsolidarisierung in der Gesellschaft. Folge davon könnten Leistungsverweigerungen der Sozialversicherungen und der Krankenkassen sein. Auf der anderen Seite müssen sich Eltern künftig rechtfertigen, wenn sie sich gegen eine Embryonen- Untersuchung und für ein Kind mit Behinderung entscheiden.

NEIN zur Kommerzialisierung menschlichen Lebens!
Mit der Ermöglichung des Chromosomenscreenings für sämtliche, künstlich hergestellte Embryonen hätte die Schweiz in Europa eine Vorreiterrolle, da in vielen europäischen Ländern die PID ausschliesslich für die Suche nach Erbkrankheiten erlaubt ist oder aber die Suche nach Chromosomenstörungen nur nach Indikation erlaubt ist.
Weder soll unser Land als lukrative Möglichkeit ausländischen Fortpflanzungsmedizinern angepriesen werden, noch soll die Schweiz zur Verfügung gestellt werden für einen Fortpflanzungsmedizintourismus für Ausländerinnen.

NEIN zur Herstellung und Vernichtung überzähliger Embryonen
Die Aufhebung des Gefrierverbots für Embryonen ist nicht akzeptabel: Weil durchschnittlich rund 40 Embryonen für eine erfolgreiche Geburt hergestellt werden müssen, würden tausende überzähliger Embryonen einem ungewissen Schicksal überlassen bzw. müssen nach spätestens 10 Jahren vernichtet werden.

 

Verfassungsabstimmung vom 14. Juni 2015

Am 14. Juni 2015 hat die Schweizer Bevölkerung der Änderung des Verfassungsartikels 119 Abs. 2c zugestimmt. Damit ist die genetische Untersuchung an künstlich erzeugten Embryonen (In Vitro Fertilisation, IVF) vor deren Einpflanzung in die Gebärmutter (Präimplantationsdiagnostik, PID) grundsätzlich möglich geworden.
Die Hippokratische Gesellschaft Schweiz hat sich zusammen mit vielen weiteren Organisationen gegen die Einführung der Präimplantationsdiagnostik eingesetzt: Die Auswahl von Embryonen mit «erwünschtem » und die Aussonderung von Embryonen mit «unerwünschtem» Erbgut gehört ins Kapitel der Eugenik! Wo soll die Grenze sein und wer bestimmt diese? Der Wahnvorstellung, dass der Mensch eine Gesellschaft ohne Behinderungen und Krankheit planen könne, ist eine deutliche Absage zu erteilen. Eine solche Gesinnung verstösst gegen das grundlegendste aller Menschenrechte, dem Recht auf Leben. Die Kampagnenseite der Abstimmung und die Stellungnahmen des Ärztekomitees «Nein zur PID» informieren über die Abstimmungsvorlage und die wichtigsten Gegenargumente:
Nein-zur-PID

nein-zur-pid.ch/aerztekomitee/

Positionspapier des Ärztekomitees Nein zur PID

Ärztekomitee Nein zur PID, Stellungnahme

Nutzen für kinderlose Paare nicht erwiesen

Zeitgemässe Fortpflanzungsmedizin – ethische Debatte gefordert

Argumentarium zur PID 2015

Die neue Formulierung von Art. 119 Abs. 2c BV ist unscharf und beinhaltet für das Ausführungsgesetz, das Fortpflanzungsmedizingesetz (FMedG), einen grossen Spielraum für die Selektion von «lebenswertem» und «lebensunwertem» Leben und die Möglichkeit der schrankenlosen Herstellung sogenannt überzähliger Embryonen. In der bis zum 14. Juni 2015 geltenden Verfassung war das Handeln auf die Mutter, auf die Frau gerichtet. Im nun neuen Text ist die Formulierung auf das biomedizinische Verfahren gerichtet. Und die Mutter, die Frau kommt nicht mehr vor!
Ein grosser Teil der Bevölkerung hat dieser Verfassungsänderung zugestimmt, weil es den Ausführungen des zuständigen Bundesrates A. Berset und den Ausführungen im Abstimmungsbüchlein vertraute, dass mit diesem Verfassungstext kein Missbrauch betrieben werden könne und da überdies die Möglichkeit bestünde, bei der Formulierung des FMedG die Grenzen ziehen zu können.

Einige wichtige Stellungnahmen:

Schweizerische Bischofskonferenz

 

Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund
Stellungnahme der SEK zu PID

Behindertenorganisation Insieme
PID – Wo setzen wir die Grenzen, Insieme, 4/15

Sonderbeilage Zeit-Fragen
Sonderdruck Zeit-Fragen zu PID 2015