Aktuell

Aktuelle Herausforderungen der Suizidprävention, PD Dr. med. habil. Ute Lewitzka, Samstag, 19. Oktober 2024

Einladung

Samstag, 19. September 2024, 10.30 – 12:00 Uhr

Seminarraum des Instituts für Personale Humanwissenschaften und Gesellschaftsfragen

Fischingerstrasse 66, Eingang 12A auf der Rütihofstrasse
CH-8070 Sirnach

PD Dr. med. habil. Ute Lewitzka

Aktuelle Herausforderungen
der Suizidprävention

Frau Privatdozentin Ute Lewitzka verfügt über einen reichhaltigen Erfahrungsschatz zum Thema, wird uns daraus berichten und diskutieren. Seit Jahren bringt sie ihr Wissen und Können bezüglich des assistierten Suizids in Fachkreisen, bei Politikern und in den Medien ein.

Zur Referentin

Studium der Medizin in Berlin und Dresden, Spezialisierung für Psychiatrie und Psychotherapie, Habilitation zum Thema «Suizidalität und affektive Störungen: neurobiologische, diagnostische und therapeutische Untersuchungen unter besonderer Berücksichtigung des Einflusses von Lithium». Oberärztin am Psychiatrischen Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden und ebenda Leiterin der Arbeitsgruppe «Suizidforschung». Vorsitzende der «Deutschen Gesellschaft für  Suizidprävention» (DGS), Gründerin und Präsidentin des «Werner Felber Instituts». Leiterin des Referates Suizidologie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenkrankheiten (DGPPN). Ab dem 1. 11. 2024 wird sie in Frankfurt den ersten Lehrstuhl für Suizidologie und Suizidprävention innehaben.


Münchner Erklärung 2024 des D-A-CH-Forums Suizidprävention und assistierter Suizid

Anschließend an die Schloss-Hofener Thesen von 2023 erklären die Teilnehmenden des Expert*innen-Workshops Suizidprävention und Assistierter Suizid in München 2024:

1. Mensch in der Krise

Der Mensch, der um assistierten Suizid ansucht, ist ein Mensch in der Krise.

  • Er hat das Recht, als Mensch in seinem körperlichen, psychischen und existentiellen Leiden wahrgenommen zu werden.
  • Die rein normative Beurteilung des Begehrens nach Suizidassistenz als „Recht“ wird der Leidensrealität nicht gerecht.
  • Auch An- und Zugehörige, die von assistierten Suiziden betroffen sind, sollen die Möglichkeit zur Unterstützung bekommen.

2. Gewissen und Verantwortung

Eine absolut gesetzte und nicht hinterfragte Autonomievorstellung des Individuums darf das Prinzip der Suizidprävention, des Schutzes des menschlichen Lebens und der Fürsorge nicht außer Kraft setzen. Jeder, der einem suizidalen Menschen begegnet, hat die Verantwortung, ihm/ihr mitmenschliche und gegebenenfalls fachliche Unterstützung zum Leben anzubieten. Die grundlegende Erkenntnis der Suizidforschung, dass suizidale Menschen im Allgemeinen nicht sterben, sondern „so“ nicht mehr leben wollen, muss Richtschnur werden im Umgang mit Menschen mit Verlangen nach assistiertem Suizid.

  • Priorität haben Selbstreflexion, Prüfung des eigenen Gewissens und der Verzicht auf ein Urteil darüber, ob das Leben des anderen (noch) lebenswert ist. Unverzichtbar ist größtmögliche Sorgfalt, alternative Lösungsmöglichkeiten zu suchen.
  • Die Gewissensentscheidung, nicht beim assistierten Suizid mitzuwirken, muss immer geachtet werden und auch den Mitarbeitenden in Institutionen möglich sein.

3. Umgang mit dem Verlangen nach assistiertem Suizid in professionellen Beziehungen

Menschen, die in ihrer beruflichen Tätigkeit mit Verlangen nach assistiertem Suizid zu tun haben, sollten sich des Einflusses von Übertragung und Gegenübertragung bewusst sein und um den Einfluss unbewusster Gefühle wissen.

  • Eigene Gefühle wie Überforderung, Mitleiden und Identifikation müssen kritisch reflektiert werden. Dazu bedarf es der Super- und Intervision.
  • Das Verlangen nach assistiertem Suizid ist nicht als Handlungsauftrag zur Suizidassistenz zu verstehen, sondern als Aufforderung, sich in die Situation des Gegenübers einzufühlen und darüber ergebnisoffen zu sprechen.
  • Insbesondere der Umgang mit den verschiedenen vulnerablen Gruppen bedarf eines jeweils spezifischen Fachwissens und des Bewusstseins, dass Autonomie immer relativ und relational zu verstehen ist.
  • Wie grundsätzlich bei suizidalen Menschen muss auch bei Verlangen nach assistiertem Suizid vorrangig eine von Personen und Institutionen der Suizidassistenz unabhängige fachliche Beratung und je nach Situation auch Therapie ermöglicht werden.

4. Forderungen an Institutionen

  • Alle Institutionen des Gesundheits- und Sozialwesens müssen Lebensräume bleiben, in denen keinerlei Druck in Richtung assistiertem Suizid ausgeübt wird.
  • Die Institutionen sollen suizidpräventive Konzepte entwickeln und umsetzen.
  • Institutionen haben die Verpflichtung, ihre Mitarbeitenden im Umgang mit Suizid- und Todeswünschen und in Suizidprävention zu schulen.
  • Niemand darf genötigt oder gezwungen werden, sich an einem assistierten Suizid zu beteiligen. Auch dürfen aus der Weigerung sich zu beteiligen keine Nachteile entstehen.
  • Werbung und Verleitung zum assistierten Suizid in Institutionen sollen unterbunden werden.

5. Befähigung der Mitarbeitenden von Institutionen zur Suizidprävention

  • Allen im Berufsalltag mit Wünschen nach assistiertem Suizid befassten Personen sollen qualifizierte Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten im Umgang mit Suizid- und Todeswünschen und zur Suizidprävention zur Verfügung stehen. Sie sollen Ergebnisse der Suizidforschung kennen.
  • Dazu gehört auch Supervision im Berufsalltag.

6. Verantwortung der Medien

Die Medien haben Einfluss auf die Haltung zum assistierten Suizid in der Gesellschaft. Vieles spricht dafür, dass der „Werther-Effekt“ auch für den assistierten Suizid gilt.

  • Medien sollen auf bestehende Empfehlungen zur medialen Darstellung der Suizidalität, des Suizids und des assistierten Suizids aufmerksam gemacht werden. Empfehlungen sollen gemeinsam mit Medienschaffenden, Forschenden und Experten der Suizidprävention weiterentwickelt und angepasst werden.  Medienkampagnen, Informationsveranstaltungen und Workshops sollen hierzu durchgeführt werden.

7. Verantwortung von Staat und Gesellschaft

Kein Mensch soll durch gesellschaftlichen, ökonomischen und sozialen Druck zum assistierten Suizid gedrängt werden. Der Staat hat die Pflicht, Suizidprävention zu fördern, auszubauen und gesetzlich zu verankern.

  • Es ist unsere Aufgabe, einem Mitmenschen, der sein Leben als unwürdig empfindet, seine unveräußerliche Würde erfahrbar zu machen. Wenn keine Heilung möglich ist, geht es um die bestmögliche Linderung der Beschwerden, Begleitung und Trost. Dies vermittelt die Sicherheit, dass Menschen auch in Alter und Krankheit Fürsorge, gute Pflege und medizinische Versorgung bis zuletzt zuteil wird.
  • Eine gesellschaftliche Umorientierung ist nötig. Sie muss eine Stärkung der Solidarität, Sorge und Fürsorge im Blick haben und auf eine lebenszugewandte, friedliche und lebensfreundliche Gesellschaft ausgerichtet sein.

Wir alle sind aufgefordert, uns dieser Fragen anzunehmen und im beruflichen oder gesellschaftlichen Umfeld Antworten zu entwickeln.

 

D-A-CH-Forum Suizidprävention und assistierter Suizid, München, 9. Juni 2024

Münchner Erklärung 2024 D-A-CH-Forum Suizidprävention und assistierter Suizid

 

Für das D-A-CH-Forum Suizidprävention und assistierter Suizid:

 Bausewein Claudia, Prof. Dr. med., PhD MSc, Fachärztin für Innere Medizin, Direktorin der Klinik und Poli- klinik für Palliativmedizin, LMU Klinikum München, Erk Christian, PD Dr. phil., Programmleiter an der Executive School der Universität St.Gallen (HSG), Privatdozent für Ethik und Management, Fiedler Georg, Dipl.-Psychologe, Geschäftsführer der Deutschen Akademie für Suizidprävention, Hamburg, Feichtner Angelika, MSc (palliative Care), Österreichische Palliativgesellschaft (OPG), Wien, Gabl Christoph, Dr.MSc, Mobiles Palliativteam Innsbruck + Insbruck Land, Tiroler Hospiz-Gemeinschaft, Haberland Birgit, Dr. med. MSc, Oberärztin der Klinik und Poliklinik für Palliativmedizin, Palliativ Ambulanz, LMU Klinikum München, Jentschke Elisabeth, Dr. phil., Comprehensive Cancer Center, Universitätsklinikum Würzburg, Kautz Heike, M.Sc.N, B.Sc.N, Pflegefachperson für Palliative Care, Palliative Geriatrie und Geronto- psychiatrie, Lehrpersonal am Bildungs- und Forschungsinstitut des GK-Mittelrhein in Koblenz, Kapitany Thomas, Prim. Dr. med., Leiter des Kriseninterventionszentrums Wien, Kessler Eva-Marie, Prof. Dr. habil., Prorektorin für Interdisziplinarität und Wissenstransfer, Professorin für Gerontopsychologie, MSB Medical School Berlin – Hochschule für Gesundheit und Medizin, Universitäres Department Psychologie, Klesse Raimund, Dr. med., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Chur, König Katharina, Dr. phil., Dipl.-Ing., Wissenschaftliche Mitarbeiterin Werner-Felber-Institut e.V., Kränzle Susanne, MAS Palliative Care, Gesamtleitung Hospiz Esslingen, stellv. Vorsitzende des DHPV e. V., Kummer, Susanne, Mag., Direktorin des Instituts für Medizinische Anthropologie und Bioethik, Wien, Lewitzka Ute, PD Dr. med. habil., Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden, Susanne Ley, Dr. med., Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie, St. Elisabeth-Hospital Meerbusch-Lank, Fachklinik für Orthopädie und Rheumatologie, Ley Wolfgang, Diplom-Sozialarbeiter (FH), Köln, Lindner Reinhard, Prof. Dr. med., Institut für Sozialwesen des Fachbereichs Humanwissenschaften der Universität Kassel, Lippmann-Rieder Susanne, Dr. med., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie (FMH), Uetikon a. See, Lorenzl Stefan, Prof. Dr. med. Dipl. Pall. Med., Institut für Palliative Care, Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Salzburg, Meischner-Al-Mousawi Maja, Dr., Psychologische Psychotherapeutin (VT), Mitarbeiterin des Kriminologischen Dienstes, Leiterin der LAG und der BAG „Suizidprävention im Justizvollzug“, Justizvollzugsanstalt Leipzig, Nauck Friedemann, Prof. Dr., ehem. Direktor Klinik für Palliativmedizin, Georg-August-Universität Göttingen, Nestor Karen, Dr. med., Chefärztin Onkologie und Stv. Departementsleiterin Innere Medizin, Klink Gais, Nestor Moritz, M.A. & lic.phil., Philosoph und Psychotherapeut, Schurten, Niederkrotenthaler, Thomas. assoz. Prof. Dr. med. univ. PhD. MMSC, Sozialmediziner, Leiter der Forschungsgruppe Suizidprävention, Abteilung für Sozial-und Präventivmedizin, Zentrum für Public Health, Medizinische Universität Wien, Pfisterer Mathias H.-D., PD Dr. med., Klinik für Geriatrische Medizin und Zentrum für Palliativmedizin, Agaplesion Elisabethstift Darmstadt, Petzold Christian, Dipl.-Pflegewirt, Bundesärztekammer, Prajczer Sinikka, Dr. PhD, Tiroler Hospizgemeinschaft, Rados Christa, Dr. med., Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin, Fachliche Leitung des psychosozialen Therapiezentrums Kärnten, Reigber Hermann, Dipl.-Theol., Dipl. Pflegewirt, Geschäftsführende Leitung Christophorus Akademie, LMU München, Reuster Thomas, PD Dr.med.habil. M.A., Institut für Geschichte der Medizin, Med. Fakultät Carl Gustav Carus der TU Dresden, Sasserath-Alberti Natascha, Dr., Kommissariat der Deutschen Bischöfe – Katholisches Büro in Berlin, Scheiner Ricarda, Psychologin M.Sc., Fachpsychologin Palliative Care (BDP-DGP), LMU Klinikum München, Schneider Barbara, Prof. Dr. med., M.Sc., MBHA, Chefärztin an der LVR-Klinik Köln, Abteilung für Abhängigkeitserkrankungen, Psychiatrie und Psychotherapie, Schwaiger Karl, Mag., Obmann der Hospizbewegung Salzburg, Verein für Lebensbegleitung und Sterbebeistand, Sperling Uwe, Dr., Diplomgerontologe, Universitätsmedizin Mannheim, Geriatrisches Zentrum, Sitte Thomas, Dr. med., Vorstandsvorsitzender, Deutsche Palliativ Stiftung, Teising Martin, Prof. Dr. med., Facharzt für Psychiatrie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psycho- analytiker, Bad Hersfeld, Trufin François, Pflegedienstleiter, Belgien,  Turiaux Julian, M.Sc. Psych., Psych. Psychotherapeut, München, Voltz Raymond, Prof. Dr. med., Dipl. Pall. Med. (Cardiff), Facharzt für Neurologie, Direktor des Zentrums für Palliativmedizin an der Universitätsklinik Köln, Wagner Birgit, Prof. Dr. habil., Professur für Klinische Psychologie & Psychotherapie – Verhaltenstherapie, Medical School Berlin, Wolfersdorf Manfred, Prof. Dr. med. Dr. hc., Universität Bayreuth, ehem. Ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhaus Bayreuth, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie und Psychosomatik


Neuerscheinung: Beiträge zur Ökonomisierung der Medizin, Teil 1

Das zweite Heft unserer Schriftenreihe enthält drei wichtige Texte zu gesundheitsökonomischen Grundfragen unseres heutigen Gesundheitswesens sowie zu den zentralen ethischen und politisch-ökonomischen Forderungen, die sich daraus ergeben: Ein Interview mit der Schweizer Ökonomin Mascha Madörin, unter dem Titel: „Eine für das Gesundheitswesen passende Wirtschaftstheorie ist noch nicht gefunden“. Dann der 2017 von der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin veröffentlichte „ÄrzteCodex -Medizin vor Ökonomie“ sowie die Stellungnahme der Schweizerischen Gesellschaft für Allgemeine Innere Medizin vom 8. Juli 2021, die sich ebenfalls dem ÄrzteCodex angeschlossen hat. Die Stellungnahmen greifen eine seit langem bestehende Kritik an der Vorrangstellung  ökonomischer Gesichtspunkte vor dem Patientenwohl und der Versorgungssicherheit auf und bringen neue Aspekte in die Diskussion ein.

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Schloss Hofener Thesen 2023 zu Suizidprävention und assistiertem Suizid

 

An der Tagung „Suizidprävention und Assistierter Suizid in Deutschland, Österreich und der Schweiz“ vom 27. bis 29. August 2023 in Schloss Hofen, Lochau (A) wurden die folgenden Thesen erarbeitet und von zahlreichen Einzelpersonen und Organisationen unterzeichnet. Weiteres lesen Sie unter „Themen“.

 

Schloss Hofener Thesen 2023 zu Suizidprävention und assistiertem Suizid


Weihnachten 2023 Das Humanitäre Völkerrecht – ein Beitrag für die Menschlichkeit

Weihnachten – das Fest des Friedens

Zeit, sich an das humanitäre Völkerrecht zu erinnern

Weihnachten ist das Fest des Friedens – umso mehr erschüttern uns die Leiden der vielen Menschen an vielen Orten dieser Welt, die vom Krieg betroffen sind, die Tod, Verletzungen, Zerstörung Ihres Lebensraumes, Hunger und Flucht erleiden müssen. Ein Lichtblick war und ist die Schaffung des Humanitären Völkerrechts und die Gründung des Internationalen Roten Kreuzes. Hans Haug beschrieb in seinem Buch „Menschlichkeit für alle. Die Weltbewegung des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes“, das im Henry Dunant Institut erschienen ist, bezüglich der Grundsätze des Roten Kreuzes folgendes:

«Die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung, entstanden aus dem Willen, den Verwundeten der Schlachtfelder unterschiedslos Hilfe zu leisten, bemüht sich in ihrer internationalen und nationalen Tätigkeit, menschliches Leiden überall und jederzeit zu verhüten und zu lindern. Sie ist bestrebt, Leben und Gesundheit zu schützen und der Würde des Menschen Achtung zu verschaffen. Sie fördert gegenseitiges Verständnis, Freundschaft, Zusammenarbeit  und einen dauerhaften Frieden unter allen Völkern.» (…)

«Die ‘Menschlichkeit’ ist der Hauptgrundsatz, die Leitidee, der Wesenskern, sie ist die Seele und der Geist der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung. Wollte man die Grundsätze der Bewegung in einem einzigen Prinzip zusammenfassen oder aus einem einzigen Prinzip ableiten, so wäre dieses Prinzip die ‘Menschlichkeit’. Dabei hat das Wort ‘Menschlichkeit’ einen zweifachen Sinn: Es bezeichnet eine Lebens- und Verhaltensweise des Menschen, und es bezeichnet das Ziel, auf das diese Verhaltensweise gerichtet ist, nämlich die menschliche Person, den Menschen als solchen. Die von der ‘Menschlichkeit’ geforderte Verhaltensweise des Menschen gegenüber dem Menschen sind Achtung und Liebe, aus denen der Wille fliesst, den Mitmenschen als einmalige Persönlichkeit anzuerkennen, ihm gut zu sein und Gutes zu erweisen, ihn zu schonen und zu schützen, ihm zu helfen, wenn er Hilfe bedarf.»

Aus: Haug, Hans, Menschlichkeit für alle. Die Weltbewegung des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes., unveränderte Auflage, Institut Henry Dunant, Verlag Paul Haupt Bern, Stuttgart, Wien, 1995

Die Präsidentin des Internationalen Roten Kreuzes IKRK,  Mirjana Spoljaric ruft an der Internationalen humanitären Konferenz für die Zivilbevölkerung von Gaza in Paris, am 9. November 2023 zu einer Besinnung auf die Grundsätze des Humanitären Völkerrechts auf:

„Das Leiden in Gaza und in Israel, das wir mitansehen müssen, ist nicht hinnehmbar: der tragische Verlust unzähliger Menschen und von so vielen Kindern. Die Zerstörung des Zuhauses von Menschen. Die tiefgreifenden und wiederholten Traumata. Die Geiseln, die noch immer gefangen gehalten werden, und ihre Familien, die um sie bangen.

Es ist nicht hinnehmbar, daran zu denken, dass diese katastrophale humanitäre Situation schon seit einem Monat anhält, und sie darf nicht noch länger dauern.

Das humanitäre Völkerrecht ist das umfassendste und pragmatischste Werkzeug, das wir haben, um den Schutz der Zivilbevölkerung sicherzustellen und den Weg hin zu einer Deeskalation zu ebnen.
Ich rufe die internationale Gemeinschaft dringend auf, für seine vollständige Umsetzung zu sorgen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

Das Gebot der Stunde ist es, Leben zu retten und die Menschlichkeit zu wahren. Ein schneller und dauerhafter humanitärer Zugang und Hilfsgüter sind dringend nötig.

Kritische Dienstleistungen wie die Gesundheits-, Wasser- und Stromversorgung sowie die Kommunikation in Gaza müssen unverzüglich wiederhergestellt werden – dies ist eine lebenswichtige Priorität.

Das IKRK hat mehr als 100 Mitarbeitende in Gaza, die ihrer Arbeit inmitten der Gewalt weiterhin nachgehen. Wir haben lebensrettende Hilfsgüter für eine Lieferung vorbereitet und jüngst über den Grenzübergang von Rafah medizinische Güter und ein neues Team aus Expertinnen und Experten für chirurgische Eingriffe und Waffenräumung geschickt.

Doch die Vorräte gehen zu Ende, und unseren Chirurginnen und Chirurgen fehlt es bereits an Anästhetika und sogar an Gaze, um Opfer mit Verbrennungen zu behandeln.

Wir sind bereit, angesichts der immensen Bedürfnisse unseren Einsatz schnell auszuweiten, aber wir müssen in der Lage sein, regelmässig grosse Mengen an Vorräten einzuführen und wir brauchen den erforderlichen Zugang und Sicherheitsgarantien.

Das IKRK unterstützt mit seiner Arbeit die Menschen in Gaza, im Westjordanland und in Israel, unter anderem über seine Partner, den Palästinensischen Roten Halbmond, den Magen David Adom und andere Mitglieder der Bewegung wie der Ägyptische Rote Halbmond, im Rahmen ihrer grundlegenden Notfalldienste.

Die humanitären Mitarbeitenden in Gaza und in Israel zeigen unglaublichen Mut und grossen Einsatz.

Wie wir gehört haben, kamen tragischerweise Ärztinnen und Ärzte des Magen David Adom und des Palästinensischen Roten Halbmonds sowie Hilfswerksmitarbeitende der UN und anderer Organisationen ums Leben, während sie versuchten, anderen zu helfen. Diese Menschen möchte ich an dieser Stelle würdigen, und ich rufe dazu auf, dringend alle Zivilpersonen zu schützen, einschliesslich humanitäres und medizinisches Personal sowie Spitäler, im Einklang mit dem humanitären Völkerrecht.

Unsere Rolle als neutraler Vermittler hat sich als nützlich erwiesen, um humanitäre Bedürfnisse zu decken. Durch seinen Dialog mit den Parteien konnte das IKRK in kritischen Momenten praktische Unterstützung anbieten.

Am Montag begleiteten wir Ambulanzfahrzeuge beim Transport von Patientinnen und Patienten, die dringende medizinische Versorgung benötigten, vom Schifa-Spital in Gaza-Stadt zum Grenzübergang von Rafah. Als neutraler, vertrauenswürdiger Akteur unterstützte das IKRK ausserdem zwei Aktionen zur Freilassung von Geiseln. Wir rufen weiterhin zur unverzüglichen Freilassung der verbleibenden Geiseln auf, und wir sind bereit, weitere Freilassungen zu unterstützen und auch die Geiseln zu besuchen.

Aber:

Die humanitäre Hilfe darf angesichts des Scheiterns, das Leben der Zivilbevölkerung zu schützen, nicht als Feigenblatt dienen.

Die Hauptverantwortung für den Schutz der Opfer des Krieges liegt bei den Konfliktparteien.

Dieser Schutz muss auf alle Zivilpersonen ausgeweitet werden, einschliesslich derjenigen, die sich noch in Gaza-Stadt aufhalten. Es ist kaum vorstellbar, dass sich keinerlei Zivilpersonen mehr im Norden aufhalten, und nicht alle Gebäude dürfen als militärische Ziele gesehen werden. Die Vorbereitungen für die Rückkehr der Hunderttausenden vertriebenen Familien in den Norden müssen dringend eingeleitet werden. Wenn das humanitäre Völkerrecht jetzt eingehalten wird, wird dies umfassende und positive Auswirkungen haben.

Im Westjordanland eskaliert die tödliche Gewalt gegen Zivilpersonen weiter: Diese Menschen dürfen nicht vergessen gehen; und für ihre Bedürfnisse und ihr Schutz muss etwas unternommen werden.

Ohne unverzügliche Zurückhaltung auf beiden Seiten steuern wir auf eine noch grössere humanitäre Katastrophe und einen nie endenden Teufelskreis der Gewalt zu.

Wir dürfen nicht zulassen, dass die Feindseligkeit so absolut ist, dass die andere Seite entmenschlicht wird.

Mit jedem Tag, der vergeht, schwindet die Möglichkeit weiter, einen Weg zurück zum Dialog und zu einer politischen Lösung zu finden.

Wir müssen versuchen, nicht nur das menschliche Leid zu reduzieren, sondern auch einen minimalen Raum zu bewahren, innerhalb dessen es möglich ist, sich auf etwas zu einigen, das nicht durch militärische Mittel, sondern durch politische Diskussionen erreicht wird.

Ich rufe die Staaten dringend auf, ihren Einfluss zu nutzen, um sicherzustellen, dass das humanitäre Völkerrecht vollständig eingehalten und umgesetzt wird.

Die Genfer Abkommen sind pragmatisch:

  • Das Töten von Zivilpersonen und Misshandlungen sind verboten.
  • Verwundete und Kranke müssen versorgt, geachtet und geschützt werden.
  • Inhaftierte Personen müssen menschlich und mit Würde behandelt werden.
  • Geiselnahmen sind verboten, und Geiseln sollten unverzüglich und unbeschadet freigelassen werden.
  • Die zivile Infrastruktur, von der die Bevölkerung für ihr Leben abhängig ist – inklusive Stromnetze und Wasserversorgung – muss verschont werden.
  • Ungeachtet einer militärischen Belagerung müssen die Parteien dafür sorgen, dass die Zivilbevölkerung Zugang zu grundlegenden Gütern und Dienstleistungen, einschliesslich medizinischer Versorgung, hat.

Wir stehen vor einem katastrophalen moralischen Scheitern – einem Scheitern, das die Welt nicht zulassen darf.

Ich rufe Sie dringend zu konkreten politischen Schritten auf, um einen dauerhaften humanitären Raum zu sichern, die besondere Rolle von neutralen Akteuren wie dem IKRK zu schützen, angemessene Mittel bereitzustellen und auf die praktische Umsetzung des humanitären Völkerrechts zu drängen.

 

Quelle: IKRK

https://www.icrc.org/de/document/gaza-konferenz-ikrk-praesidentin-spoljaric-zivilpersonen-muessen-geschuetzt-und-geiseln-unbeschadet-freigelassen-werden

 

 


Neuerscheinung: Assistierter Suizid und Autonomie – ein Widerspruch?

In verschiedenen Ländern wird ein »Recht auf assistierten Suizid« angenommen und rechtlich garantiert. Dies wird begründet mit der Annahme, Wünsche nach assistiertem Suizid seien wohlüberlegte, autonome und selbstbestimmte Entscheidungen. Der vorliegende Artikel stellt das vorherrschende Autonomieverständnis anhand grundlegender Erkenntnisse der Anthropologie, Kulturanthropologie, Psychoanalyse, Tiefenpsychologie, Entwicklungspsychologie, Psychiatrie und Psychotherapie infrage. Das Konstrukt der Freiverantwortlichkeit beim assistierten Suizid entspricht nicht der tatsächlichen Entwicklung suizidaler Krisen mit ihren nachvollziehbaren bewussten und unbewussten Motiven. Auch Entscheidungen zum assistierten Suizid erfolgen im zwischenmenschlichen Bezug. Anhand von Beispielen werden Psychodynamik und Therapiemöglichkeiten suizidaler Entwicklungen sowie Aspekte der Suizidprävention dargestellt. Der suizidfördernde Einfluss der Suizidassistenz wird beschrieben. Folgerungen für die Suizidprävention auf individueller Ebene und notwendige Voraussetzungen für die Entwicklung eines antisuizidalen gesellschaftlichen Klimas werden formuliert.

Schlüsselwörter: Autonomie, assistierter Suizid, Bilanzsuizid, Suizidprävention, suizidale Krise

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Neuerscheinung: Sterbehilfe in Belgien

Wer sich mit dem Thema «Sterbehilfe»[1] im weitesten Sinn befasst, wer in Gerichten, im Gesundheitswesen, in der Politik, in der öffentlichen Diskussion oder im privaten Umfeld damit zu tun hat, sich dazu äussert oder gar Entscheidungen trifft, sollte dieses Buch gelesen haben. Es zeigt die Wirklichkeit der «Sterbehilfe», wie wir sie aus den Medien in der Regel nicht erfahren. Belgische Ärzte und Pflegende, Philosophen und Ethiker berichten von ihren persönlichen Erfahrungen aus einer Gesellschaft, in der „Euthanasie“ vor 20 Jahren legalisiert wurde. «Euthanasie» ist heute in Belgien Normalität. Im Jahr 2021 starb dort jeder 40ste[2] durch «Sterbehilfe», meist durch die Hand eines Arztes. Wer Tötung auf Verlangen nicht für einen „guten Tod“ hält, gerät unter Rechtfertigungsdruck. Das vorliegende Buch gibt einen Eindruck, welche Richtung eine gesellschaftliche Entwicklung nimmt, wenn der Staat das Recht seiner Bürger auf den Schutz ihres Lebens aufhebt. In vielen der Beiträge wird auch deutlich, wie wenig «Sterbehilfe» mit Autonomie[3] zu tun hat. Die Autoren zeigen auf, was passiert, wenn «Sterbehilfe» Einzug in die Institutionen des Gesundheitswesens hält und was es für Auswirkungen auf die Palliativmedizin hat, wenn sie sich der «Sterbehilfe» öffnet, Bestrebungen, wie sie auch in der Schweiz im Gange sind. Den mutigen Autoren dieses Buches gebührt Hochachtung und Dank. Sie lassen den Leser an ihren Erfahrungen mit Menschen in körperlichen und psychischen Grenzsituationen teilhaben, die sie unter der Erschwernis der belgischen Euthanasiegesetzgebung behandeln und begleiten. Anhand vieler Fallbeispiele zeigen sie auf, in welche Nöte und Schwierigkeiten diese Menschen geraten können und beschreiben dabei hochdifferenziert, jeder auf seine Art, was es braucht, dass die Medizin ihre Mitmenschlichkeit nicht verliert:  sich menschlich mit dem Leidenden verbinden, die Schwierigkeiten genau erfassen, in die die veränderte Lebenssituation den Erkrankten versetzt hat, und die Möglichkeiten suchen, sich mit dem Leidenden gemeinsam einer Lösung anzunähern. (mehr …)


Neuerscheinung: Imago hominis „Assistierter Suizid“ Heft 2/2022

  • Editorial
  • C. Sedmak
    Beihilfe zum Suizid: Können wir die Last tragen? Vier Fragen zum Urteil des Österreichischen Verfassungsgerichtshofes
  • F.-J. Bormann
    Ärztliche Mitwirkung an Suizidhandlungen nach dem StVfG – moraltheologische Überlegungen
  • K. Nestor
    Wunsch nach assistiertem Suizid? Von der Aufgabe, auf der Seite des Lebens zu stehen
  • R. Klesse
    ‚Sterbehilfe‘ und ihre Auswirkungen auf Pflegeeinrichtungen und das Gesundheitswesen
  • J. Cornides
    Assistierter Suizid (in) der österreichischen Rechtsordnung
  • M. Memmer
    Suizid und Beihilfe zum Suizid – eine rechtshistorische Analyse

Wunschmedizin – 3. Salzburger Bioethik-Dialoge

Mehr Informationen unter https://www.salzburgeraerzteforum.com/salzburger-bioethik-dialoge-2022/


Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte: „Kein Recht auf Beihilfe zum Suizid“

Die Richter des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Straßburg betonen in ihrem Urteil vom 12. April 2022, dass es nach der Europäischen Menschenrechtskonvention kein Recht auf Beihilfe zum Suizid gibt, auch nicht in Form von konkreten Informationen oder der Unterstützung beim Suizid.

Es verstoße nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), wenn ein Land zum Schutz der Gesundheit, der Moral und der Rechte Anderer die Beihilfe zum Suizid verbiete.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ist eine Institution des Europarates, dem 47 europäische Länder angehören. Der EGMR wacht über die Umsetzung der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Die Pressemitteilung zum Urteil lesen Sie hier:

EGMR-Urteil-12.4.22-Assist.-Suizid-dt.-Uebersetzung(2)

EGMR-Urteil-12.4.22-Assist.-Suizid-engl.-Original(2)

 

 

 


NEIN zur Widerspruchsregelung am 15. Mai 2022! NEIN zum geänderten Transplantationsgesetz

Die Hippokratische Gesellschaft Schweiz setzt sich für eine vertrauenswürdige Transplantationsmedizin ein. Vertrauenswürdig kann Transplantationsmedizin nur dann sein, wenn die Organspende unverändert eine Spende bleibt. Denn der Begriff der «Spende» beinhaltet seine Freiwilligkeit, die in der persönlichen Entscheidung jedes Spenders liegt.

Die Bereitschaft, Organe zu spenden, kann entweder durch einen Organspendeausweis festgehalten werden, oder der mutmassliche Wille hierzu ist den engsten Angehörigen bekannt und sie stimmen am Ende des Lebens einer Organspende zu. Diese Freiwilligkeit ist durch die heute gültige erweiterte Einwilligungs- und Zustimmungslösung gewährleistet.

Am 15. Mai 2022 stimmt die Schweizer Bevölkerung über eine grundsätzliche Änderung des Transplantationsgesetzes im Sinne einer «erweiterten Widerspruchslösung» ab. Mit einem «Ja» dürften allen Personen am Lebensende Organe entnommen werden, sofern sie nicht zu Lebzeiten ausdrücklich der Organspende widersprochen haben oder ihre Angehörigen dies zum Todeszeitpunkt nicht tun. Die Widerspruchslösung führt somit eine eigentliche Organspende-Pflicht ein.

Einem derartigen Paradigmenwechsel, durch den der Staat die körperliche Unversehrtheit nicht mehr in jedem Fall schützen würde, muss mit einem NEIN Einhalt geboten werden.

Bei der Volksabstimmung geht es nicht um ein Pro oder Contra zur Organspende, sondern um die Entscheidung, ob davon ausgegangen werden darf, dass Menschen, die nicht explizit NEIN zu einer Organspende gesagt haben, ihre Organe entnommen werden dürfen.

Es ist unbestritten, dass eine Erhöhung der Spenderzahl wünschenswert ist. Die Widerspruchsregelung aber ist ein inakzeptables Mittel, weil sie medizinethische und verfassungsrechtliche Grundsätze verletzt.

Denn: Der Zweck heiligt nicht jedes Mittel!

 

Schweigen bedeutet nicht Zustimmung

Zu jedem medizinischen Eingriff braucht es eine gute Aufklärung durch den behandelnden Arzt, eine bewusste, selbstbestimmte und unabhängige Zustimmung und eine dokumentierte Einverständniserklärung (Informed Consent). Es ist inakzeptabel, dass das bei der Organspende, die eine tiefgreifende Entscheidung am Lebensende darstellt, nicht mehr gelten soll. Die Annahme einer stillschweigenden Zustimmung reicht nicht aus. Vielmehr braucht es einen vorangehenden bewussten Entscheid, eingebettet in ein vertrauenswürdiges Arzt-Patienten-Verhältnis. Eine Organspende ist dann ethisch vertretbar, wenn die betroffene Person hierfür aktiv zu Lebzeiten ihre dezidierte wohlüberlegte Zustimmung gegeben hat.

Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit muss uneingeschränkt gelten

Es darf nicht sein, dass das Menschenrecht auf Unversehrtheit des Körpers nur noch gilt, wenn es eingefordert wird!

Der Art. 10 Abs. 2 der Bundesverfassung garantiert jedem Menschen das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit und auf Selbstbestimmung. Dieser Schutz gilt ganz besonders auch in höchst verletzlichen Situationen wie dem Sterbeprozess. Gemäss der Präambel der Bundesverfassung «misst sich die Stärke des Volkes am Wohl der Schwachen».

Bei der Widerspruchsregelung hingegen müsste neu das Recht auf Unversehrtheit des Körpers dezidiert eingefordert werden. Die Unwissenheit vieler Bürger zu dieser neuen Regelung und über die Möglichkeit des Widerspruchs würde einen unverhältnismässig grossen Aufwand an Aufklärung erfordern, um sicherzustellen, dass die Bevölkerung korrekt informiert ist. Es ist zu befürchten, dass Teile der Bevölkerung, insbesondere solche, zu denen der soziale, kulturelle und sprachliche Zugang eingeschränkt ist, effektiv nicht erreichbar sind und von der neuen Regelung quasi «übertölpelt» werden.

So besteht die Gefahr, dass Organe automatisch bei Menschen entnommen werden könnten, die sich über diese neue Situation gar nicht im Klaren waren.  Es bleibt Aufgabe des Staates, die Bürger zu schützen und ihre Menschenrechte zu garantieren.

 NEIN zum Druck auf die Angehörigen!

Wenn sich eine betroffene Person zu Lebzeiten nicht zur Frage der Organspende geäussert hat, werden die Angehörigen zum mutmasslichen Willen im Sterbeprozess befragt. Neu würden sie nicht nach der vermuteten Zustimmung gefragt, sondern ob ein Widerspruch des möglichen Spenders bekannt ist. Dabei würde von ihnen erwartet, dass sie glaubhaft machen können, dass die verstorbene Person mutmasslich eine Organspende abgelehnt hätte. Durch die Widerspruchslösung wird neu die Organspende zum Regelfall erklärt, was den Druck auf die Angehörigen erhöht, einer Spende zuzustimmen. Sie müssten sich unter Umständen rechtfertigen, Begründungen liefern und der vorgesehenen Organentnahme aktiv entgegentreten. Dadurch besteht die Gefahr, dass sie sich nicht mehr gemäss dem mutmasslichen Willen des Angehörigen entscheiden würden. So könnte eine Ablehnung einer Organspende den Angehörigen als «unsolidarisches Verhalten» angelastet werden. Dabei sollte eine Organspende im Einvernehmen mit allen Beteiligten stattfinden, verbunden und mit dem guten Gefühl, dadurch einem Menschen zum Weiterleben zu verhelfen.

 NEIN zur Ausbeutung der sozial Schwächsten!

Es ist unrealistisch, dass mehr als 7 Millionen erwachsene Bürger der Schweiz lückenlos darüber informiert werden können, dass sie widersprechen und sich in ein Register eintragen müssen, wenn sie ihre Organe nicht spenden wollen. Die Widerspruchsregelung könnte dazu führen, dass Personen (v.a. aus bildungsfernen, sozial schwachen Schichten) gegen ihren Willen Organe entnommen würden, weil sie zu Lebzeiten nicht wussten, dass sie hätten widersprechen müssen. Gerade diese sozial Schwächsten brauchen den Schutz des Rechtsstaats.

Führt nicht zu mehr Spenden

Es stimmt nicht, dass die Widerspruchsregelung der Grund für eine höhere Spenderate in anderen Ländern ist. Gemäss mehrerer Studien hat die Widerspruchsregelung nicht zu signifikant mehr Spenden geführt.
Aber selbst wenn es so wäre: Der Systemwechsel wäre ein Verstoss gegen das Grundrecht auf die körperliche Unversehrtheit.

Selbstaufgabe der staatlichen Schutzpflicht

Aus staatsrechtlicher Sicht stellt die erweiterte Widerspruchsregelung einen Paradigmenwechsel in der Schutzpflicht des Staats gegenüber seinen Bürgern dar. Der Schutz der körperlichen und seelischen Integrität seiner Bürger ist nicht mehr sicher gewährleistet. Dies stellt einen Eingriff in staatsrechtlich gesicherte Grundrechte (Art. 10 Abs. 2) dar. Eine derartige Schwächung gesicherter Grundrechte kann das Vertrauen in den Rechtsstaat unterhöhlen.

 

Erklärungsmodell als diskussionswürdige Alternative

Die nationale Ethikkommission lehnt die Widerspruchsregelung ab. Sie empfiehlt ein Erklärungsmodell, d.h., Bürger werden regelmässig zum Thema der Organspende informiert und befragt mit dem Ziel, diese zu einer bewussten und eigenverantwortlichen Entscheidung zu motivieren. Dazu gehört auch das Recht, diese Frage nicht beantworten zu wollen oder zu können. Dieses Vorgehen könnte die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der komplexen Frage der Organspende verbessern.

 Zur weiteren Vertiefung:

  • Weitere Informationen unter Themen/Organspende
  • Dres. med. Ursula und Walter Knirsch «Erweiterte Zustimmungsregelung versus erweiterte Widerspruchsregelung – worum geht es eigentlich?», Zeit-Fragen, Nr. 28/29, 2021
  • Katharina Fontana, «I schänke dr mis Härz», NZZ, 2. 4. 2022
  • Übersichtsartikel mit Vertretern des Referendumkomitees in u.a. Aargauer Zeitung,
    4. 2022
  • Stellungnahme Rat der Evangelisch-reformierten Kirchen Schweiz:
    https://organspende-nur-mit-zustimmung.ch/parolenspiegel/
  • Homepage des Referendumkomitees: https://organspende-nur-mit-zustimmung.ch/

Der Text als PDF zum Weiterversenden:

Hippokratische Gesellschaft Nein zur Widerspruchsregelung

 


Organspende – Referendum mit über 64’000 Unterschriften eingereicht: Schweigen bedeutet nicht Zustimmung

Nun wird das Volk über die Widerspruchs- regelung abstimmen können. Der Abstimmungstermin ist bereits auf den 15. Mai festgelegt.

https://www.srf.ch/play/tv/sendung/tagesschau?id=ff969c14-c5a7-44ab-ab72-14d4c9e427a9


Für eine vertrauenswürdige Transplantationsmedizin

Organspende ist ein Geschenk und muss freiwillig bleiben, daher:

Nein zur Organspende ohne explizite Zustimmung!

Argumente gegen die Änderung des Transplantationsgesetzes

Das Parlament hat Ende Herbstsession 2021 eine grundsätzliche Änderung des Transplantationsgesetzes im Sinne einer «erweiterten Widerspruchslösung» verabschiedet. Künftig sollen prinzipiell allen Personen am Lebensende ihre Organe entnommen werden dürfen, sofern sie nicht zu Lebzeiten ausdrücklich der Organspende widersprochen haben oder ihre Angehörigen dies zum Todeszeitpunkt nicht tun.

Gegen dieses Gesetz hat ein überparteiliches Komitee von Ärzten, Pflegefachleuten, Theologen, Juristen und Ethikern das Referendum ergriffen. Der Vorstand der Hippokratischen Gesellschaft Schweiz hat beschlossen, das Referendum mit allen Kräften zu unterstützen. Über einen derartigen Paradigmenwechsel, durch den der Staat die körperliche Unversehrtheit nicht mehr in jedem Fall schützen würde, müssen die Bürger entscheiden können!

Die Hippokratische Gesellschaft Schweiz setzt sich für eine vertrauenswürdige Transplantationsmedizin ein. Vertrauenswürdig kann Transplantationsmedizin nur sein, wenn die Organspende vom Begriff her ihrem Namen treu bleibt. Der Begriff «Spende» beinhaltet Freiwilligkeit. Diese Freiwilligkeit kann am besten durch die heute geltende erweiterte Einwilligungs- und Zustimmungslösung gewährt werden.

Weitere Argumente und Unterschriftenbögen für das Referendum finden Sie unter:  https://organspende-nur-mit-zustimmung.ch/

«Die Widerspruchsregelung darf nicht am Volk vorbei eingeführt werden!

Die zentrale Frage, ob Personen am Lebensende ohne ausdrückliche Zustimmung Organe entnommen werden dürfen, muss zwingend vom Volk und nicht vom Parlament entschieden werden.

 Es darf nicht sein, dass das Recht auf Unversehrtheit des Körpers eingefordert werden muss!

Art. 10 Abs. 2 der Bundesverfassung garantiert jedem Menschen das Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit und auf Selbstbestimmung. Dieser Schutz gilt ganz besonders auch in höchst verletzlichen Situationen wie beim Sterbeprozess. Bei der Widerspruchsregelung

hingegen müsste das Recht auf Unversehrtheit des Körpers speziell eingefordert werden. Wird darauf verzichtet, können Organe automatisch entnommen werden. Dies ist falsch. Der Staat hat die Bürger zu schützen und ihre Rechte zu garantieren.

Schweigen bedeutet nicht Zustimmung!

Zu jedem medizinischen Eingriff braucht es ein bewusstes und klares Ja. Dass es zur Organspende dieses ausdrückliche Ja nicht mehr brauchen soll, dass es genügt, nicht Nein zu sagen, ist falsch. Ethisch vertretbar ist Organspende nur, wenn die betroffene Person hierfür zu Lebzeiten ihre ausdrückliche Zustimmung gegeben hat.

NEIN zum Druck auf die Angehörigen!

Zwar würden für den Fall, dass sich die betroffene Person zu Lebzeiten nicht zur Organspende geäussert hat, die Angehörigen befragt. Sie können allerdings gegen die Organspende nur dann Widerspruch einlegen, wenn sie glaubhaft machen können, dass die verstorbene Person mutmasslich die Organspende abgelehnt hätte. Damit würden die Angehörigen einem unzulässigen Druck ausgesetzt, denn eine Ablehnung würde den Angehörigen sofort als unsolidarisches Verhalten angelastet.

NEIN zur Ausbeutung der sozial Schwächsten!

Bei der Widerspruchsregelung müssten alle Personen in der Schweiz informiert werden, dass sie schriftlich widersprechen und sich in ein Register eintragen müssen, wenn sie ihre Organe nicht spenden wollen. Es ist völlig unrealistisch, dass dieses Ziel erreicht werden kann. Denn es gibt Personen, die die Landessprachen nicht sprechen, die das Gelesene nicht verstehen, die nicht lesen können oder sich nicht mit ihrem Sterben befassen wollen. Die Widerspruchsregelung würde unweigerlich dazu führen, dass solchen Personen gegen ihren Willen Organe entnommen werden, weil sie zu Lebzeiten nicht wussten, dass sie ihren Widerspruch hätten hinterlegen müssen. Gerade diese sozial Schwachen brauchen den Schutz der Rechtsordnung. Diese Personen würden zu Organlieferanten, ohne davon zu wissen oder sich dagegen wehren zu können.»

NEIN zur Organentnahme ohne informierte Zustimmung
(informed consent)!

Kurzargumentarium def. 21.11.2021

  1. November 2021

In Memoriam Dr. med. Dieter Walch (1940 – 2021), Vaduz

Im Alter von 81 Jahren ist unser Freund und Wegbegleiter Dieter Walch gestorben. In ihm verlieren wir einen engagierten Kinderarzt, der bis zuletzt aktiv im Leben war und sich für eine Medizin eingesetzt hat, die dem hippokratischen Eid verpflichtet ist, eingesetzt. In den gemeinsamen Treffen hat uns immer wieder seine menschliche, werterhaltende und zugewandte Art beeindruckt – auch der Humor fehlte nie. Er hatte seine Erkenntnisse immer versucht wissenschaftlich abzustützen und sie dann mit Herz eingesetzt. Er wusste von der Bedeutung des Kinderarztes für die Eltern und Kinder. Viele hat er durch die ganze Kindheit begleitet und den Eltern in Rat und Tat beigestanden und später auch deren Kinder wieder betreut. Die ethische Bildung der Jugend war ihm ein grosses Anliegen.

Dieter Walch war seit den 1970er Jahre als Kinderarzt in Vaduz tätig und war in seiner dortigen Arztpraxis bis Ende März 2019 tätig. Von 1980 bis 1993 stand er dem Liechtensteinischen Ärztevereins als Präsident vor. Auch politisch engagierte er sich, so war er von 1982 bis 1993 für die FBP Abgeordneter im Landtag. In dieser Zeit wurde er drei Mal wiedergewählt. Am 27. Juni 2002 verlieh ihm Fürst Hans-Adam II. den Titel „Fürstlicher Medizinalrat“ für seine Dienste um das Land Liechtenstein. Er war langjähriges Vorstandsmitglied der Hippokratischen Gesellschaft Schweiz.

Mit Dieter Walch verlieren wir einen lieben Freund. Sein Wirken wird weiterhin in der Hippokratischen Gesellschaft Schweiz präsent sein.


Salzburger Bioethik-Dialoge – alle Vorträge als podcast: https://www.salzburgeraerzteforum.com/salzburger-bioethik-dialoge-2021/

 

 

 

 

 

 


Stellungnahme von Prof. Frank Ulrich Montgomery, Vorstandsvorsitzender des Weltärztebundes, zum ärztlich assistierten Suizid

 Stellungnahme von Prof. Frank Ulrich Montgomery, Ehrenpräsident der Bundesärztekammer und Vorstandsvorsitzender der World Medical Association (WMA) vom 17.April 2021 anlässlich der  Eröffnungsveranstaltung zur „Woche für das Leben“ zum Thema ärztlich assistierter Suizid

 „In der von der Journalistin Ursula Heller moderierten Debatte erinnerte der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes, Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, an die doppelte Aufgabe der Ärzte: »Sterben zu verhindern, wo äußere Einflüsse zu vorzeitigem Tod führen; und Sterben zu erleichtern, wo es der natürliche Abschluss des Lebens ist.« Den Sterbeprozess müssten, könnten und wollten Ärzte kompetent begleiten: »Nicht Hilfe zum Sterben, sondern Hilfe beim Sterben ist unsere Verpflichtung. Tötung auf Verlangen ist allen Menschen verboten, und es gehört nicht zu unseren Aufgaben, ärztliche Sterbehilfe durch die Hintertür des ärztlich assistierten Suizids zu leisten. Das Bundesverfassungsgericht irrt, wenn es die menschliche Selbstbestimmung derart überhöht, dass sie sogar die Abschaffung ihrer selbst miteinschließt. Palliativmedizin und Hospizarbeit sind wirksame Mittel zur verantwortlichen Sterbebegleitung.« Nicht der schnelle Tod, sondern das sanft begleitete Sterben an der Hand der Familie und eines Arztes seien ein würdiger Abschluss des Lebens.“

 Quelle:  https://www.woche-fuer-das-leben.de/


Euthanasie in Belgien – wohin die Reise nicht gehen darf

Das Buch „Euthanasia: Searching for the Full Story“ ist die kürzlich erschienene Übersetzung der Orginalausgabe in französchischer Sprache „Euthanasie, l’envers du décor“  (weitere Angaben unter Literatur). Das Buch enthält erschütternde Zeugnisse von belgischen Mitarbeitern des Gesundheitswesens, Ärzten, Pflegenden, Universitätsprofessoren u.a. über den Alltag der real existierenden Euthanasiepraxis in Belgien und ihrer zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Folgeschäden. Das Buch sei jedem empfohlen, der wissen will, was passiert, wenn Töten zum Normalfall wird. Es ist eine Warnung davor, wohin jede Legalisierung von Töten führt – und ein Aufruf dazu, dies zu verhindern!

 


«Von der Aufgabe, auf der Seite des Lebens zu stehen» – Neue Schriftenreihe der Hippokratischen Gesellschaft

 

Das erste Heft der neuen Schriftenreihe «Von der Aufgabe, auf der Seite des Lebens zu stehen» kann nun bestellt werden. Wir haben es uns mit dieser Schriftenreihe zur Aufgabe gemacht, Beiträge zur Humanität im Gesundheitswesen zu publizieren, um damit die Integration von Wissenschaft und Humanität zu stärken – wie es Karl Jaspers beschreibt. (…)
In unserer gegenwärtigen Epoche drohen Selbstverständnis und Identität der Medizin durch übergeordnetes Gewinn maximierendes ökonomisches Denken untergraben zu werden. Das Gesundheitswesen soll wie eine industrielle (Massen)Produktion nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage gesteuert; «Effizienz» und «Qualität» der «Gesundheitsproduktion  sollen nach finanziellem Nutzen bewertet werden.
Wir erleben, wie dadurch die der Medizin eigenen Werte geradezu auf den Kopf gestellt werden. Denn neben den Naturwissenschaften ist die Humanität – sowohl in der Haltung des Helfenwollens als auch in der Reflexion der Erkenntnisse der Humanwissenschaften – der zweite der beiden Pfeiler, auf denen unserer Wissenschaft ruht. Ohne Humanität droht die angewandte Naturwissenschaft seelenlos zu werden. Eine zweite Herausforderung unserer Zeit ist das Untergraben des Lebensschutzes durch die Diskussion um «Euthanasie» und assistierten Suizid. Dieses Thema hat die Hippokratische Gesellschaft Schweiz seit ihrer Gründung bewegt und soll erstes Thema unserer Schriftenreihe sein.

In der vorliegenden Ausgabe unserer Schriftenreihe erörtern Moritz Nestor, Philosoph und Psychologe, und seine Frau Karen Nestor, Onkologin und Palliativmedizinerin, was die Aufgabe von Arzt, Mitmensch und Gesellschaft angesichts seelischer Not am Lebensende ist. Welche Art von Beistand ist gefordert? Wie begegnet ein Mensch einem anderen, der den Wert seines Lebens (selbst) als wertlos beurteilt?

Karen Nestor klärt den schillernden Begriff «Sterbehilfe» und legt unter anderem dar, warum in der Schweiz die Beihilfe zum Suizid nicht «erlaubt» ist und warum auch kein rechtlicher Anspruch darauf besteht. Als Palliativmedizinerin und Onkologin schöpft sie aus vielfältigen Erfahrungen in der Begleitung von Menschen mit schwersten Leiden und Nöten. Sie zeigt auf, dass der Suizidwunsch ein Ausdruck menschlicher Not ist und uns als Mitmenschen in die Verantwortung nimmt. Was braucht es, um Mut und Hoffnung zu behalten bis zuletzt?

In seinem Jubiläumsvortrag zum 20jährigen Bestehen der Hippokratischen Gesellschaft Schweiz legt Moritz Nestor eindringlich dar, welche Auswirkung das öffentliche Reden über das Töten von leidenden Menschen hat. Ausgehend vom Wesen des Arztberufs beschreibt er die menschliche Not des Suizidalen, der auf die Hilfe und den Beistand seiner Mitmenschen angewiesen ist. Vor allem der alte Mensch, der seine Bedeutung oft nicht genügend wahrnimmt, ist anfällig für Beiträge der Medien, die ein Leben mit Einschränkungen als nicht lebenswert suggerieren.
«Wir Menschen», schreibt Moritz Nestor, «verdanken der Generation unserer Eltern und Grosseltern unser Leben, das sie uns geschenkt haben. Durch ihre Hilfe und Sorge konnten wir Mensch werden. […] Dieser unsichtbare Vertrag bindet die Generationen natürlicherweise aneinander. Er bildet den Kern unserer Sozialnatur. Wie uns damals als Kindern, so steht der alten Generation heute der gleiche volle Einsatz und die gleiche liebevolle Sorge zu, wie wir sie einst von ihnen gerne empfangen haben. Das ist das natürliche Recht der alt gewordenen Elterngeneration.» Darf also ein demokratischer Rechtsstaat überhaupt den Schutz des Lebens antasten, wo doch der Lebensschutz den Staatszweck darstellt?

Karen und Moritz Nestor verdeutlichen in ihren Beiträgen, dass eine «Kultur der gegenseitigen Sorge» dem Menschen entspricht; eine «Kultur des Todes» nicht. Zu einer «Kultur der gegenseitigen Sorge» gehört auch, wieder ein antisuizidales Klima zu schaffen, das Mut macht und Hoffnung weckt auf ein Leben bis zum letzten Atemzug, wie das bereits Erwin Ringel, der bekannte österreichische Suizidforscher, beschrieb. Befassen wir uns wieder mehr damit, wie wir einander und besonders den alten und kranken Menschen in unserer Gesellschaft Sorge tragen
und sie bis zuletzt menschlich und medizinisch sorgfältig und kompetent begleiten können.

 


Oberverwaltungsgericht für Nordrhein-Westfahlen: Kein Zugang zu Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung – Verbot dient der staatlichen Schutzpflicht für das Leben

In seinem Urteil vom 2. Februar 2022 kommt das Oberverwaltungsgericht Münster zu dem Schluss, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nicht verpflichtet ist, den Erwerb des Betäubungsmittels Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung zu erlauben.

Eine solche Erlaubnis diene nicht dazu, die notwendige medizinische Versorgung sicherzustellen. Bei Anwendungen eines Betäubungsmittels sei dies „nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nur der Fall, wenn diese eine therapeutische Zielrichtung haben, also dazu dienen, Krankheiten oder krankhafte Beschwerden zu heilen oder zu lindern.“

Der Versagungsgrund schütze „das legitime öffentliche Interesse der Suizidprävention und dient der staatlichen Schutzpflicht für das Leben.“

 

 


Mitgliederversammlung und Podiumsgespräch im Hof zu Wil, am Samstag, den 19. September 2021

Mitgliederversammlung

am 19. September 2021  von 13.30 Uhr bis 14.30 Uhr

dann

Podiumsgespräch

Am Mensch versus am Markt orientiertes Gesundheitswesen
Was wollen wir?

Samstag, 18. September 2021

15.00 bis 17.00 Uhr

anschliessend Apéro riche

Restaurant Hof zu Wil, Marktgasse 88, 9500 Wil

 

Auf dem Podium werden teilnehmen:

  • Judith Fasser, Direktorin Center da Sandà Val Müstair
  • Dr. med. Daniel Güntert, FMH Innere Medizin und Pneumologie, Wattwil, Past Präsident Toggenburger Ärzteverein
  • Dr. med. Silvia Güntert, FMH Innere Medizin und Hämatologie, Bazenheid
  • Dr. med. Markus Schmidli, ehem. Chefarzt Innere Medizin Spital Herisau Kantonsrat AR

Gesprächsleitung:
Dr. med. Gabriela Wirth Barben, FMH Ophthalmologie, St. Gallen
Kantonsrätin AR

Die Ökonomisierung der Medizin wird auf politischer und Verwaltungsebene mit dem Ziel von Kostenoptimierung und Rentabilität weiter vorangetrieben. Mit der absurden Behauptung der Qualitätssteigerung werden z.B. Betten reduziert und Spitäler geschlossen und dadurch die regionale Versorgung abgebaut. Das Gesundheitswesen wird nach und nach dem Service Public entzogen. Ökonomen diktieren der Ärzteschaft zunehmend, wie und wo sie ihre Patienten abzuklären und zu behandeln hat. Soll unser im internationalen Vergleich hervorragendes Gesundheitswesen dem Gesundheitsmarkt geopfert werden? Dies, obwohl die Bevölkerung seit jeher einer guten Gesundheitsversorgung höchste Priorität einräumt.
Diese Fragen sollen in einem Podiumsgespräch besprochen, aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet und ein Ausblick erarbeitet werden. Auch für den Austausch mit den Teilnehmern wird es genügend Gelegenheit geben.

Schutzkonzept: COVID-Zertifikat, Maskenpflicht


Für die Planung bitten wir um Anmeldung auf


Appell der Schweizerischen Jungparteien an die Jungen

Die Corona-Pandemie verursacht grosse Schäden. Sie kostet vor allem Menschenleben. Hinzu kommt, dass viele Menschen, insbesondere auch Junge, ihren Job verloren haben oder grosse Mühe bekunden, eine Stelle zu finden. Niemand weiss, welchen Verlauf die Krise noch nehmen wird. Wichtig ist daher, in dieser schlimmer werdenden Situation, dass wir Jungen unsere individuelle Verantwortung wahrnehmen und Solidarität sowohl mit den jungen als auch mit den älteren Menschen leben!
Der Staat kann in dieser Krise zwar vieles leisten. Aber er kann nicht Verantwortung und Solidarität verordnen. Es liegt auch an uns Jungen, die wichtigen Hygienemassnahmen einzuhalten und vor allem Masken zu tragen und auf Abstand zueinander zu gehen. Denn das Corona-Virus macht vor keinem Menschen halt.
Wir Jungparteien appellieren deshalb an die Jungen, namentlich folgende Hygiene- und Verhaltensregeln ernsthaft zu befolgen. Nur gemeinsam können wir das Corona-Virus in Schach halten.

– Maske tragen, wo dies verlangt wird
– generell Abstand halten, sowohl bei jungen als auch älteren Personen
– kein Händeschütteln / keine Umarmungen
– gründlich Hände waschen
– bei Krankheitssymptomen sofort testen lassen und zuhause bleiben
– Corona-App downloaden und aktiv nutzen

Diese wichtigen Massnahmen sind gerade jetzt, in einer Phase, in der die Fallzahlen schnell ansteigen, speziell wichtig, weil sie Menschenleben schützen. Gemeinsam schaffen wir es, dass das Virus nicht das letzte Wort haben wird und die Lage sich nicht weiter verschärft. Handeln wir miteinander verantwortlich und zum Wohl der Gemeinschaft – jetzt erst recht!

Junge BDP, Junge CVP, Junge EVP, Jungfreisinnige, Junge Grünliberale

 

Die Hippokratische Gesellschaft Schweiz begrüsst diese Initiative der bürgerlichen Jungparteien, solidarisch zu handeln und zum Schutz der älteren Generation und zum Eindämmen der Pandemie beizutragen. Wir finden es sehr wichtig, wie die Jungparteien in dieser Krisensituation reagieren und Verantwortung übernehmen. Dies ist ein ein gutes Beispiel für gelebte Selbstverantwortung. Sie zeigen damit, dass es nicht darum gehen kann, alte und junge Menschen gegeneinander auszuspielen, sondern gemeinsam zusammenzustehen und eine Krise zu überwältigen. Dazu gehört jetzt genau so der Schutz jedes einzelnen, unserer Grosseltern und Eltern wie auch die Bereitschaft, denjenigen, die in dieser Krise in wirtschaftliche Not geraten, beizustehen und sie zu unterstützen.

Es stimmt uns optimistisch, dass die Jungparten mit einer solchen Haltung an die bevorstehenden Aufgaben unserer Zeit herangehen.


Brief des deutschen Nationalen Suizidpräventionsprogrammes an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn

Im skandalösen Urteil  zum Paragraph 217 hat das deutsche Bundesverfassungsgericht im Rahmen des Persönlichkeitsrechtes auch ein Recht postuliert, Dritte für einen Suizid in Anspruch zu nehmen. Das BVG hat sich mit diesem Urteil über die wissenschaftlichen Befunde und die Empfehlungen namhafter Experten hinweggesetzt. Das deutsche nationale Suizidpräventionsprogramm hat nun in einem Brief an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn fundiert Stellung bezogen zu einer allfälligen gesetzlichen Neuregelung der Suizidhilfe in Deutschland. Untenstehend der letzte Absatz und die Empfehlungen der Autoren. Das vollständige Dokument finden Sie am Ende des Textes.

Zur möglichen Neuregelung der Suizidassistenz

September 2020

„(…) Das BVG betont, dass es legitim sei, wenn der Gesetzgeber verhindern wolle, dass sich der assistierte Suizid in der Gesellschaft als normale Form der Lebensbeendigung durchsetzt. Der Gesetzgeber dürfe auch einer Entwicklung entgegensteuern, welche die Entstehung sozialer Pressionen befördert, sich unter bestimmten Bedingungen, etwa aus Nützlichkeitserwägungen oder altruistischer Abtretung, das Leben zu nehmen. Vor diesem Hintergrund befürworten wir unbedingt eine Regulierung der Werbung für den assistierten Suizid bis hin zum Verbot. Darüber hinaus wäre zu prüfen, inwieweit die professionelle Verbreitung von Werbung zur Möglichkeit des assistierten Suizids die Entwicklung neuer Stereotype über wertes und unwertes Leben sowie die Forderung nach Legalisierung der „Tötung auf Verlangen“ fördern könnten.

Empfehlungen
Es ist nicht möglich, Empfehlungen zu geben, welche die Suizidprävention und die Möglichkeit des assistierten Suizids widerspruchsfrei regeln. Unabhängig von der gegenwärtigen Gesetzeslage oder einer neu zu entwickelnden Regulierung des assistierten Suizids empfehlen wir aus Sicht der Suizidprävention folgende Initiativen:

1. Eine strikte Regulierung der Werbung für den assistierten Suizid bis hin zum Verbot.
2. Eine Dokumentation, Erfassung und statistische Darstellung der assistierten Suizide, deren Rahmen und damit verbundenen finanziellen Transaktionen.
3. Eine weitere Förderung der Palliativmedizin, der ambulanten palliativen Versorgung und der Hospize. Hier ist die Versorgungslage in Deutschland noch nicht ausreichend.
Ein unzureichender Zugang zu diesen Angeboten darf nicht als Begründung für eine Suizidassistenz dienen.
4. Öffentlichkeitsarbeit zu den Möglichkeiten der palliativen Versorgung und der Patientenrechte bei schweren Krankheiten und am Lebensende, um bestehender Unkenntnis und Vorurteilen zu begegnen und dadurch die Selbstbestimmung zu stärken.
5. Entwicklung von psychosozialen Hilfsangeboten für Menschen, die einen Wunsch nach einem assistierten Suizid äußern, innerhalb der betroffenen Institutionen (ambulante und
stationäre Altenhilfe, medizinische Versorgung etc.)
6. Förderung der niedrigschwelligen Suizidprävention und der damit verbundenen Institutionen, um suizidgefährdeten Menschen zeitnah Unterstützung zu gewähren.
7. Förderung des Nationalen Suizidpräventionsprogramms als koordinierendes Netzwerk und damit verbunden Förderung der Öffentlichkeitsarbeit zur Suizidprävention.
8. Förderung der Forschung zum assistierten Suizid, besonders hinsichtlich der Fragestellungen:
a. Wie unterscheiden sich die Gruppen derjenigen, die einen Suizid oder Suizidversuch selbst durchführen, von jenen, die einen assistierten Suizid wünschen?
b. Untersuchung der Bedingungen, die zu einem Wunsch zum assistierten Suizid führen, unter besonderer Berücksichtigung von lebensgeschichtlichen und Genderaspekten.
c. Untersuchung der Auswirkung der Legalisierung des assistierten Suizids auf die Entwicklung der Einstellungen und Werte in der Gesellschaft, besonders im Hinblick auf Tod und Sterben sowie zum Lebenswert des Individuums oder von Gruppen.
d. Untersuchungen zur Effektivität von psychosozialen Hilfsangeboten für Menschen mit einem Wunsch nach assistiertem Suizid.“

2020-NaSPro-AssistierterSuizid


Sparmassnahmen im Gesundheitswesen – Warum? Wozu? Wem dienen sie?

von Prof. Dr. med. David Holzmann, Zürich

Aktuell ist die Welt durch die Pandemie einer neuen Viruserkrankung in Atem gehalten, und uns allen ist die Bedeutung eines guten und gut funktionierenden Gesundheitswesens wieder einmal deutlich vor Augen getreten. Aber obwohl die Stimmen in der Bevölkerung noch lauter werden, dass Spitalschliessun-gen gerade jetzt, angesichts des nachweislich ungenügenden Pandemieschutzes, absolut unverantwortlich wären, halten Gesundheitsökonomen am Kurs von Spitalschliessungen eisern fest. Es stellt sich die Frage, ob Bundesrat und Parlament stramm ihren gesundheitspolitischen Kurs weiterverfolgen werden, der weitere Sparmassnahmen vorsieht, oder ob doch mehr Vernunft einkehrt. Es bleibt zu befürchten, dass die schon vor dem Auftauchen des Corona-Virus geplanten Spitalschliessungen und Massnahmen gegen die stetig steigenden Krankenkassenprämien von den Entscheidungsträgern ungeachtet der Fakten weiter verfolgt werden. Ungeachtet der Fakten, will heissen, dass einer Planung von Sparmassnahmen ein Blick auf die Ursachen der steigenden Krankenkassenprämien voranzustellen wäre.  Gemeinhin ist der Bevölkerung aber nicht klar, wie und warum die Krankenkassenprämien stetig steigen oder warum Bund und Kantone sich immer weniger an Gesundheitskosten beteiligen. Diese Klärung soll hier nachgeholt werden, wobei ein Blick in die jüngste Geschichte unseres Landes unumgänglich ist.

https://www.zeit-fragen.ch/archiv/2020/nr-14-30-juni-2020/sparmassnahmen-im-gesundheitswesen-warum-wozu-wem-dienen-sie.html

 

 

 

 


Patientenverfügungen während der Corona-Epidemie

2. April 2020

Patientenverfügungen während der Corona-Epidemie

In der Schweiz wird alles unternommen, um in der Corona-Krise die Überlastung der Spitäler zu verhindern. In kürzester Zeit wurden im ganzen Land die Zahl an Betten in Isolationsabteilungen und Intensivstationen vergrössert und die Zahl von Gesundheitspersonal erhöht. Oberstes Ziel ist der Schutz jedes Lebens. Hierzu wird jegliche Energie verwendet und hierzu kann auch jeder im Land mithelfen, wenn er die Regeln, sich und andere zu schützen einhält. Die intensivmedizinischen Kapazitäten sind in der Schweiz aktuell ausreichend[1]. Es gehört aber auch zur Vorsorge, dass sich Fachleute Gedanken zum Umgang mit einer möglichen Ressourcenknappheit machen.

Die Schweizerische Gesellschaft für Intensivmedizin (SGI) hat deshalb alle gefährdeten Personen darum gebeten, Patientenverfügungen auszufüllen bzw. zu erneuern für den Fall, dass eine intensivmedizinische Behandlung nötig wird. Diese Bitte um Unterstützung von den durch die COVID19 Pandemie besonders geforderten Intensivmedizinern sollte ernst genommen werden. Leider wird deren Aufruf von einigen dazu benutzt, das umstrittene Modell des advanced care planning (gesundheitliche Vorausplanung für den Zeitpunkt der eigenen Urteilsunfähigkeit)[2] zu bewerben und dessen lebensverneinende Tendenzen in Umlauf zu bringen – in einer Zeit, in der die Kräfte darauf ausgerichtet sind, das Leben aller angesichts der Pandemie zu schützen. Eine tiefergehende inhaltliche Auseinandersetzung mit dem advanced care planning muss warten, bis wieder Kräfte frei sind. Nicht warten können aber konkrete Antworten auf Fragen, die sich im Kontext mit dem Aufruf zum Verfassen von Patientenverfügungen stellen.

 

Aufgrund zahlreicher Anfragen legen wir Ihnen einige grundlegende Gedanken dazu dar:

Wie hilft eine Patientenverfügung dem Intensivmediziner?

In einer Notfallsituation kennen die Ärzte die Patienten oft nicht und können nicht in der erforderlichen Zeit seine Wünsche und Werte in Erfahrung bringen. In der Corona-Krise kann sich dieses Problem nochmals verschärfen. Bei einer Überbelastung des gesamten medizinischen Systems kann wertvolle Zeit verloren gehen, wenn nicht sorgfältig dokumentiert ist, welche Entscheidungen bereits getroffen wurden.

Wie werden Behandlungsentscheidungen getroffen?

Bei der ärztlichen Entscheidung für oder gegen eine Behandlung – das gilt für alle Behandlungen, nicht nur intensivmedizinische – wird zunächst die medizinische Indikation geprüft. Ist diese gegeben, ist der Patientenwille massgeblich. Nur wenn eine medizinische Indikation besteht und der Patient mit einer Behandlung einverstanden ist, wird diese durchgeführt. Wenn ein Patient sich nicht zu einer Behandlung äussern kann, z.B. weil er bewusstlos ist, wird die Patientenverfügung herbeigezogen, um etwas über die Vorstellungen des Patienten zu erfahren. Gibt es keine Patientenverfügung, wird die nächste Bezugsperson nach dem mutmasslichen Willen des Patienten befragt.

Was heisst dies für intensivmedizinische Behandlungen?

Eine intensivmedizinische Behandlung ist belastend und muss medizinisch realistische Aussichten auf Erfolg haben. Es soll ein Gesundheitszustand wieder erreichbar sein, der mehr als nur Leiden oder den baldigen Tod beinhaltet. Eine Einschätzung der Prognose ist nicht einfach. Wenn bereits vor der Behandlung auf der Intensivstation schwere andere Erkrankungen (Komorbiditäten) vorliegen, ist die Prognose schlechter. Ob hohes Alter an sich ein Prognosefaktor ist, bleibt umstritten. Die in höherem Alter häufig bestehenden Komorbiditäten sind aber relevant. In Zweifelsfällen hinsichtlich der zu erwartenden Lebensqualität und des zu erwartenden Behandlungserfolgs einer intensivmedizinischen Behandlung entscheidet der (mutmassliche) Wille des Patienten.

Patientenverfügungen sollten idealerweise mit Unterstützung des Hausarztes oder eines anderen Arztes des Vertrauens erstellt werden, der die individuelle gesundheitliche Situation und die Persönlichkeit des Patienten gut kennt, mit ihm gemeinsam mögliche Komplikationen besprechen und den Patienten unterstützen kann, in diesem Kontext seinen Wünschen und Werten Ausdruck zu verleihen.

Was ist heikel an der derzeitigen Situation um Patientenverfügungen bei Corona-Infektion?

Es darf kein Druck auf Patienten, insbesondere nicht auf vulnerable Gruppen ausgeübt werden, in ihren Patientenverfügungen den Verzicht auf intensivmedizinische Massnahmen festzuhalten. Auch weiterhin gilt: das Erstellen einer Patientenverfügung ist freiwillig, eine Beratung muss realitätsnah und ergebnisoffen erfolgen! Es ist nicht zulässig, dass Ärzte oder Pflegende ihre Patienten zum Verfassen oder Ändern von Patientenverfügungen drängen oder gar versuchen, deren Inhalt zu beeinflussen. Patientenverfügungen sollen Ausdruck der Autonomie des Patienten sein und dessen Wünsche und Werte festhalten.

Die Tonlage, in der in verschiedenen Publikationen das Thema Patientenverfügung bei älteren Patienten angesprochen wird, ist weder zielführend noch human. Fragen wie: was hält sie denn überhaupt noch am Leben etc. suggerieren, dass Lebensmüdigkeit bei älteren Menschen normal sei und aktiv erfragt werden müsse. Das ist unzulässig, schadet dem Vertrauen in die Gesundheitsversorgung und widerspricht den SAMW-Richtlinien zu Intensivmedizinischen Massnahmen und deren Ergänzung zur Triage in der COVID-19-Pandemie, nach denen niemand wegen seines Alters diskriminiert werden darf. Die lebensverneinende Tonlage ist Teil der Bestrebungen zur Legalisierung der Euthanasie und suggeriert „wir sollen sterben wollen“. Dies darf nicht Grundlage für das Verfassen von Patientenverfügungen sein!

Entscheidet sich ein Patient gegen eine intensivmedizinische Behandlung, ist dies nicht mit einem medizinischen Fatalismus gleichzusetzen und heisst nicht, dass auf Abklärungen oder medizinische Behandlungen generell verzichtet werden soll.

Was ist ausserdem noch wichtig?

Nicht zu vergessen ist, dass in einer Patientenverfügung nicht nur ein Verzicht auf intensivmedizinische Massnahmen, sondern auch der explizite Wunsch nach intensivmedizinischen Massnahmen festgehalten werden kann.

Für Patienten, die mit COVID 19 eine schlechte Prognose haben und nicht intensivmedizinisch behandelt werden wollen oder können, sollten palliativmedizinische Behandlungen insbesondere zur Linderung von Atemnot und Angst eingesetzt werden. Auch die menschliche Begleitung sollte möglich sein.

Der beste Schutz für besonders gefährdete Gruppen bleibt der Schutz vor Ansteckung mit dem neuen Coronavirus!

 

[1] Stellungnahme der Schweizerischen Gesellschaft für Intensivmedizin: Prognosestudien während der COVID-19-PandemieBasel, 27. März 2020, https://www.sgi-ssmi.ch/files/Dateiverwaltung/COVID_19/IMSGCVCM_Stellungnahme_COVID-19_Prognosestudien_DE.pdf

[2] https://www.acp-i.org

 

HGS, PV, Corona. 2. April 2020


Brief der Hippokratischen Gesellschaft Schweiz an den Bundesrat

Fanas, Uetliburg, 23.03.2020

 

Sehr geehrte Frau Bundespräsidentin Sommaruga

Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte

 

Im Namen des Vorstandes der Hippokratischen Gesellschaft Schweiz danken wir Ihnen sehr für Ihr weitsichtiges Handeln in den letzten Wochen zum Schutz des Lebens und der Gesundheit aller. Es war nötig, dass Sie die «ausserordentliche Lage» gemäss Epidemiengesetz ausgerufen und weitreichende eindämmende Massnahmen beschlossen haben.

Die Hippokratische Gesellschaft Schweiz wird mit ihrer Aufklärungs- und Präventionstätigkeit in der Öffentlichkeit sowie unter Kollegen und Patienten den Bundesrat nach Kräften in diesem Tun unterstützen. Dass die Lage wirklich ernst ist, kann wohl niemand mehr abstreiten, der noch ernst genommen werden will.

Ihre Entscheide bieten eine vernünftige Basis dafür, dass unter den Bedingungen der Pandemie alle im Gesundheitswesen Tätigen trotzdem weiterhin ihre Arbeit zum Wohle aller ausüben können und dass trotz Corona überall im Land die notwendigste Versorgung aufrechterhalten werden kann, um schlussendlich mit vereinten Kräften die Notlage so gut wie möglich zu bewältigen und die Erkrankten bestmöglich schützen zu können. Die weitgehend solidarische Haltung der Schweizer Bevölkerung gibt Ihnen recht und zeigt, dass unsere Regierung in Verbundenheit mit der Bevölkerung entscheidet.

Wir wünschen uns allen für diese gemeinsame Aufgabe die Kraft, Ruhe und Besonnenheit, damit wir weiterhin der schwierigen Aufgabe gerecht werden.

Wir versichern Ihnen, dass wir Sie nach Kräften unterstützen und senden Ihnen

freundliche Grüsse

 

Dr. med. Raimund Klesse                         Dr. med. Susanne Lippmann-Rieder

Präsident                                                   Vizepräsidentin

 

 

Brief der Hippokratischen Gesellschaft Schweiz an den Bundesrat 22.03.2020


Mitgliederversammlung und Vortrag vom 28. März 2020 werden verschoben

Aufgrund der aktuellen Entwicklungen der Corona-Pandemie und der vom Bund getroffenen  Massnahmen sagen wir Vortrag und  Mitgliederversammlung vom 28. März 2020  ab. Ein Verschiebedatum werden wir rechtzeitig bekanntgeben.

Wir empfehlen Ihnen, die Medienkonferenz von Bundespräsidentin Sommaruga zusammen  mit den Bundesräten Berset, Keller-Sutter und G. Parmelin inklusive Diskussion mit den Journalisten anzuschauen:

https://www.htr.ch/artikel/artikel/die-medienkonferenz-des-bundesrats-26998.html

Hier eine Kurzfassung:

https://www.srf.ch/news/schweiz/massnahmen-des-bundesrates-appell-an-ein-neues-miteinander-trotz-social-distancing

Empfehlenswert ist auch das tägliche Coronavirus-Update mit Christian Drosten, Leiter der Virologie in der Berliner Charité und einer der führenden Virus-Forscher Deutschlands im NDR Info https://www.ndr.de/nachrichten/info/podcast4684.html. Neben den medizinischen und epidemiologischen wesentlichen Grundlagen diskutiert er mit der interviewenden Journalistin jeweils die neuesten Entwicklungen mit ihren Auswirkungen auf Politik und Alltag.


Walliser Parlament lehnt Aufnahme eines Suizidbeihilfeparagraphen ins Gesundheitsgesetz ab

Das Walliser Parlament hat mit 69 zu 57 Stimmen den Suizidhilfeparagraph, der die Alters- und Pflegeheime zur Zulassung von Suizidbeihilfe in ihren Räumen verpflichten sollte, nicht ins Gesundheitsgesetz aufgenommen. Erfreulich ist dabei auch, dass sich eine Opposition aus Ärzten, Pflegenden und Heimvertretern gebildet hat, die auch an die Öffentlichkeit getreten ist. Mit der Abstimmung  sind Zwangsverpflichtungen von Heimen und Spitälern im Wallis zur Zulassung von Suizidbeihilfe vorerst gestoppt. Allerdings wird der Staatsrat laut Radio SRF  noch dieses Jahr einen Gesetzesentwurf zur Regelung der Suizidhilfe vorlegen.

http://www.rro.ch/cms/cvp-und-svp-haben-den-artikel-ueber-die-sterbehilfe-aus-dem-gesundheitsgesetz-gestrichen-106624

 

 

 


Deutsches Bundesverfassungsgericht erklärt Paragraph 217 für verfassungswidrig

Das Urteil des deutschen Bundesverfassungsgerichtes vom 26. Februar 2020 ist erschütternd. Es weist den Paragraphen 217, der in Absatz 1 die geschäftsmässige Suizidbeihilfe verboten hatte, als verfassungswidrig zurück und bezeichnet Suizid und Beihilfe dazu als Persönlichkeitsrecht.  Dieser Entscheid widerspricht in seinem Geist ganz und gar der Intention des deutschen Grundgesetzes, das ja angesichts der Schrecken des zweiten Weltkrieges genau die Würde und das Leben der Bürger unverbrüchlich schützen wollte. Dies nun mit dem Konstrukt des Rechtes auf den Suizid als Ausdruck von Freiheit, Autonomie und Würde ins Gegenteil zu verkehren stellt einen schweren Kulturbruch dar. Deutschland war bis jetzt sich neben Österreich und Liechtenstein in Westeuropa eines der Bollwerke gegen die massiven Euthanasiebestrebungen. Auch jetzt gab es in den Medien deutlichen Widerspruch aus allen Lagern gegen das Urteil.

Die Liga der Ärzte in Ehrfurcht vor dem Leben hat  in ihrer Pressemitteilung den Vorgang in seiner Bedeutung charakterisiert, ebenfalls etwas ausführlicher das Arbeitsbündnis „Kein assistierter Suizid in Deutschland!“ (Links)

Pressemitteilung BVerfG 26.2.20 Ärzte-Liga

Pressemitteilung BVerfG 26.2.20 Arb.-Bündnis

Gemäss dem Urteil darf aber auch niemand verpflichtet werden, an Suizidhandlungen teilzunehmen. Der deutschen (wie auch der Schweizer) Ärzteschaft steht es weiterhin frei, Beihilfe zum Suizid grundsätzlich abzulehnen. Es ist die Frage an alle, in welcher Kultur wir weiterhin leben wollen. Auch an die Juristen aller Staaten richtet sich die Frage, ob sie die zunehmende Auflösung des Rechtsstaates, dessen Grundlage ja der Schutz des Lebens darstellt, weiterhin zulassen wollen.

 

Auf der Homepage des Gerichts findet sich die Pressemitteilung zu

Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung verfassungswidrig

https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020/bvg20-012.html

sowie

der Urteilstext des Zweiten Senats

https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/02/rs20200226_2bvr234715.html


Die Hippokratische Gesellschaft Schweiz setzt sich für eine vertrauenswürdige Transplantationsmedizin ein.

Vertrauenswürdig kann Transplantationsmedizin nur sein, wenn die Organspende vom Begriff her ihrem Namen treu bleibt. Der Begriff Spende beinhaltet Freiwilligkeit. Diese Freiwilligkeit kann am besten durch die heute geltende erweiterte Einwilligungs- oder Zustimmungslösung gewährt werden.

Die vollständige Vernehmlassungsantwort der Hippokratischen Gesellschaft zur Vernehmlassung der Änderung des Transplantationsgesetzes können Sie unter Themen – Organspende herunterladen.


Weltärztebund und monotheistische abrahamitische Religionen lehnen Euthanasie und ärztlich assistierten Suizid klar ab

Auf seiner diesjährigen Jahresversammlung, die vom 23. – 26. Oktober in Tiflis, Georgien stattfand, bekräftigte der Weltärztebund (World Medical Association, WMA) erneut seinen ablehnenden Standpunkt gegenüber Euthanasie und ärztlich assistiertem Suizid. Er betont sein starkes Bekenntnis zu den Grundsätzen ärztlicher Ethik und fordert höchsten Respekt vor dem menschlichen Leben. Auch solle kein Arzt zur Teilnahme an Euthanasie und assistiertem Suizid gezwungen oder dazu verpflichtet werden, diesbezüglich Überweisungsentscheidungen zu treffen.

https://www.wma.net/news-post/world-medical-association-reaffirms-opposition-to-euthanasia-and-physician-assisted-suicide/

WMA-declaration-on-euthanasia-and-physician-assisted-suicide-2019

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/107111/Weltaerztebund-bestaetigt-Ablehnung-des-aerztlich-assistierten-Suizids-und-der-Euthanasie

Vertreter drei verschiedener Religionen unterzeichneten im Oktober 2019 im Vatikan eine gemeinsame Erklärung gegen Euthanasie und assistierten Suizid. „Euthanasie und assistierter Suizid sind von Natur aus und in der Konsequenz aus moralischer wie religiöser Sicht falsch und sollten ausnahmslos verboten werden. Jeglicher Druck auf Todkranke, ihr Leben durch aktives und vorsätzliches Handeln zu beenden, wird kategorisch abgelehnt.“ Gefördert und unterstützt werden solle eine qualifizierte und professionelle Palliativmedizin. Der Vatikan bezeichnete die Deklaration als historisch. Es sei das erste Mal, dass Muslime, Juden und Christen gemeinsam ein solches Dokument unterzeichneten.

https://www.domradio.de/themen/soziales/2019-10-29/uebereinstimmende-werte-vatikan-erklaerung-von-drei-religionen-gegen-euthanasie-einmalig

Monotheistische Religionen gegen Euthanasie Dichiarazione-Congiunta_ENG_Okt_2019

https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/106998/Religionen-unterzeichnen-Erklaerung-gegen-Euthanasie

 

Quellen: Weltärztebund, Domradio, Deutsches Ärzteblatt, Arbeitsbündnis „Kein assistierter Suizid in Deutschland!“

 

 


Deutsche Suizidforscher gegen assistierten Suizid – Suizidalität ist der Ausdruck einer psychischen Krise

Die renommierten  deutschen Suizidforscher Prof. Martin Teising und Prof. Reinhard Lindner sprechen in ihrem Artikel vom 1. Oktober 2019 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung  „Niemand stirbt für sich allein“ das Problem an, dass die Rechtsprechung die generelle Hilfsbedürftigkeit des Individuums bisher unterschätzt hat. Suizidalität sei der Ausdruck einer psychischen Krise, in der der Mensch seine Situation als ausweglos erlebt. In der Begegnung mit suizidalen Menschen könne man erleben, in welcher seelischen Not und Verzweiflung sie sich befinden. Diese Zustände könnten oftmals gerade nicht als frei bezeichnet werden. Oft verschleiere das Argument selbstbestimmter Entscheidungsfreiheit die Abhängigkeit des einzelnen von psychischen Bedürfnissen, von den Gesetzen der Natur und des Marktes. Die Vorenthaltung möglicher Hilfe mit dem Verweis auf die scheinbar freie Entscheidung eines freien Individuums sei ein Zeichen falschverstandener Selbstbestimmung und fehlender mitmenschlicher Solidarität.

https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/das-verfassungsgericht-prueft-beschwerden-zur-sterbehilfe-16410624.html

 

 

 


Jubiläumsveranstaltung vom 09. März 2019 – 20 Jahre Hippokratische Gesellschaft Schweiz

«Die hippokratische Ethik –von den Anfängen der Bioethik bis heute»

Vortrag von Prof. em. Dr. med. Dr. Stefanos J. Geroulanos, Internationale Hippokrates Stiftung

«20 Jahre Hippokratische Gesellschaft Schweiz – Rückblick und Ausblick»

Vortrag des Vorstandes

Programm siehe unten:

20 Jahre Hippokratische Gesellschaft Schweiz


SAMW-Richtlinien ermöglichen bei vorhandener Urteilsfähigkeit Beihilfe zum Suizid bei Kindern und Jugendlichen

SAMW-Richtlinien ermöglichen bei vorhandener Urteilsfähigkeit Beihilfe zum Suizid bei Kindern und Jugendlichen. Memorandum von Frau Prof. Dr. iur. Isabelle Häner

GA Prof. Häner, zu SAMW-RL 24. 10. 18


Medienmitteilung vom 25. Oktober 2018 – COMMUNIQUÉ DE PRESSE

Beihilfe zum Suizid ist keine ärztliche Tätigkeit – Ärztekammer lehnt Aufweichung der ärztlichen Ethik klar ab

L’aide au suicide n’est pas une activité médicale –  La Chambre médicale rejette clairement l’assouplissement de l’éthique médicale

Fanas, den 25. Oktober 2018 – Die Ärztekammer hat in ihrer heutigen Versammlung die fundamentale Aufweichung der ärztlichen Ethik mit klarer Mehrheit abgelehnt.
Eine Beteiligung an Selbsttötungshandlungen widerspricht diametral der ärztlichen Ethik und dem ärztlichen Berufsauftrag.
Befassen wir uns wieder damit, wie wir alten und kranken Menschen in unserer Gesellschaft Sorge tragen und sie bis zuletzt menschlich und medizinisch sorgfältig und kompetent begleiten können.

Fanas, 25 octobre 2018 – Lors de sa réunion de ce jour, la Chambre médicale a refusé un assouplissement fondamental de l’éthique médicale par une majorité claire. La participation à des actes de suicide est en contradiction flagrante avec l’éthique médicale et le mandat professionnel du médecin. Revenons à la façon dont nous pouvons, dans notre société, prendre soin des personnes âgées et malades et les accompagner humainement et médicalement de manière compétente jusqu’à la fin de leur vie.

PM Ärztekammer lehnt neue SAMW-Richtlinien klar ab. HGS 25.10.2018

HGS_Medienmitteilung_FMH-Entscheid_frz-korr


Beihilfe zum Suizid ist keine ärztliche Tätigkeit! Hippokratische Gesellschaft Schweiz vertritt den ärztlichen Standpunkt im SRF1 im Club

Im Club vom 25. September 2018 im Schweizer Fernsehen SRF1 nahm die Hippokratische Gesellschaft Schweiz an der Diskussion um die Übernahme der Richtlinien „Umgang mit Sterben und Tod“ in die ärztliche Standesordnung teil.

Der Präsident Dr. med. Raimund Klesse vertrat den ärztlichen Standpunkt, dass Beihilfe zum Suizid keine ärztliche Tätigkeit ist und einen fundamentalen  Bruch mit der ärztlichen Ethik darstellt.

Sie können die Sendung ansehen unter:

https://www.srf.ch/sendungen/club/mein-arzt-mein-sterbehelfer


Medienmitteilung vom 13. September 2018: „Beihilfe zum Suizid beim Arztbesuch – sicher nicht!“

Fanas, den 13. September 2018 – Wenn es nach den neuen Richtlinien «Umgang mit Sterben und Tod» der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) geht, wird die ärztliche Ethik in ihr Gegenteil verkehrt. Die SAMW will ab dem 25. Oktober die Beihilfe zum Suizid als mögliche Tätigkeit des Arztes standesrechtlich legitimieren. Jeder, der als urteilsfähig eingestuft wird, soll Suizidhilfe verlangen können. Eine Beteiligung an Selbsttötungshandlungen widerspricht aber diametral der ärztlichen Ethik und dem ärztlichen Berufsauftrag.

MI_ Beihilfe zum Suizid beim Arztbesuch – sicher nicht_ 100918.doc


Keine Aufnahme der neuen SAMW-Richtlinien ins Standesrecht

Die SAMW hat am 6. Juni 2018 die äusserst umstrittenen Richtlinien «Umgang mit Sterben und Tod» veröffentlicht. Der Zentralvorstand der FMH und der Vorstand der Ärztegesellschaft des Kantons Zürich (AGZ) wollten die Veröffentlichung verhindern und wurden von der SAMW übergangen. Da neu Ärzte Beihilfe zum Suizid bei nicht tödlichen Krankheiten leisten können sollen, werden «die Grenzen ärztlichen Handelns überschritten», stellen Präsident und Generalsekretär der AGZ fest.

Am 25. Oktober 2018 wird die Ärztekammer der FMH über die Aufnahme der Richtlinien in die Standesordnung zu befinden haben. Eine Annahme würde bedeuten, dass diese Richtlinien auf die Stufe des Standesrechtes erhoben und damit für alle Mitglieder der FMH verbindlich würde. Dies gilt es in einem ersten Schritt zu verhindern. Im übrigen steht dringend eine öffentliche Diskussion darüber an, wie wir eigentlich unser Zusammenleben gestalten und einander auch in schwierigen Lebenssituationen ermutigen und beistehen wollen.

Ablauf und Inhalt sowie die wichtigesten Argumentationen können Sie nachfolgendem Text entnehmen:

Argumente gegen SAMW-RL Umgang mit Sterben und Tod 8.2018

ARGUMENTS ASSM_frz (3)

 

 


Bundesrat unterschlägt Halbierung der Wartefrist vor Organentnahme

Bundesrat unterschlägt Halbierung der Wartefrist vor Organentnahme

 (Zug, 6. Nov. 2017) Laut Medienmitteilung hat der Bundesrat am 18. Okt. beschlossen, das revidierte Transplantationsgesetz (TxG) per 15. Nov. 2017 in Kraft zu setzen. Die Transplantationsverordnung verweist zur Feststellung des Todes auf die ebenfalls revidierten SAMW-Richtlinien «Feststellung des Todes im Hinblick auf Organtransplantationen und Vorbereitung der Organentnahme». Diese revidierten Richtlinien treten als Anhang gleichzeitig mit der Revision des TxG in Kraft.

Mit keinem Wort wird in der Medienmitteilung des Bundesrates erwähnt, dass die SAMW-Richtlinien eine einschneidende Veränderung bezüglich der Organentnahme nach Herz-Kreislaufstillstand enthalten. Bisher galt nach dem Herz-Kreislaufstillstand bis zur Hirntoddiagnostik eine Wartezeit von 10 min. Diese wurde auf 5 min. verkürzt. Die Regelung gilt sogar für Säuglinge ab dem 28. Lebenstag. Als die SAMW die Richtlinie in die Vernehmlassung brachte, betrug die Frist noch 10 min. Die einschneidende Halbierung auf 5 min. hätte eine weitere Vernehmlassung nach sich ziehen müssen. Etliche Vernehmlassungsteilnehmer hätten in Kenntnis dieser Änderung protestiert.

Warum spielt die Reduktion von 10 auf 5 min. eine Rolle? Wie die SAMW-Richtlinien in ihrer Präambel festhalten, legt das Transplantationsgesetz als Kriterium für den Tod eines Menschen den irreversiblen Ausfall sämtlicher Funktionen seines Hirns einschliesslich des Hirnstamms fest.

Der irreversible Funktionsausfall des Grosshirns nach Herz-Kreislaufstillstand tritt nach etwa 5 min. ein. Die Überlebensdauer des Hirnstammes wird mit bis zu 10 min. oder etwas länger nach Herz-Kreislaufstillstand beobachtet. Das hat mit der unterschiedlichen Empfindlichkeit der Hirnstrukturen zu tun. Die bisher festgelegte 10 minütige Wartezeit hat diesem Umstand Rechnung getragen.

Deshalb ist der irreversible Ausfall des Gehirns einschliesslich des Hirnstamms mit der Reduktion auf 5 min. nicht mehr gewährleistet. Der Eindruck drängt sich auf, dass die Wartezeit, die den Organspender schützen sollte, zugunsten möglichst frischer Spenderorgane verkürzt wird.

Die Deutsche Bundesärztekammer lehnt generell eine Organentnahme nach Herz-Kreislaufstillstand mit der Begründung ab, die Todesfeststellung sei unsicher. Dies belege jede auch nur vorübergehend erfolgreiche Reanimation. Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie und die Deutsche Gesellschaft für Neurologie teilen diesen Standpunkt. Auch namhafte Neurologen kritisieren aufgrund der Unsicherheitsfaktoren das Konzept der Organspende nach Tod durch Herz-Kreislaufstillstand.[1]

Die Unterzeichnenden protestieren gegen diese Änderung und verlangen, dass der Bundesrat die Inkraftsetzung des TxP aufschiebt, bis die SAMW den umstrittenen Punkt geändert hat. Der Bund gibt für die Kampagne „Rede über Organspende“ pro Jahr 1,65 Millionen Franken aus. Dass der Bundesrat zugleich entscheidende Lockerungen in den Richtlinien über die Todesfeststellung verschweigt, ist nicht akzeptabel.

Nur einen Tag nach dem Entscheid des Bundesrates wurde eine Volksinitiative gestartet, welche die bisherige Regelung, d.h. die sog. Zustimmungslösung, durch die sog. Widerspruchslösung ersetzen soll. Im Klartext: Wer sich neu für den Fall seines Todes nicht ausdrücklich gegen die Weiterverwendung seiner Organe ausgesprochen hat, gilt automatisch als Organspender. Damit soll der akute Mangel an Spenderorganen bekämpft werden. Mit der verheimlichten Halbierung der Wartefrist wird das Vertrauen der Bevölkerung in die gesetzlichen Regelungen zur Organspende erschüttert. Dies gilt umso mehr, als den wenigsten bewusst ist, dass Organspenden nicht nur nach dem klassischen Hirntod, sondern auch nach Herz-Kreislaufstillstand vorgenommen werden. Eine intensive Diskussion in der Öffentlichkeit ist deshalb ein absolutes Muss, bevor die geplante Revision des TxG in Kraft gesetzt werden kann.

 

 

 

Unterzeichnende:

 

  • Hippokratische Gesellschaft Schweiz
  • Human Life International Schweiz
  • Schweizerische Gesellschaft für Bioethik
  • Vereinigung Katholischer Ärzte der Schweiz

 

 

KONTAKT:

 

Human Life International (HLI) Schweiz, Postfach 1307, 6301 Zug

041 710 28 48, , Webseite: www.human-life.ch

[1] vgl. Heide W., «Non-heart-beating donors» sind nicht geeignet. Nervenarzt 87 (2016) 161-168. nervenarzt-87-2016-161-168

vgl. Meeker JW, Kelkar AH, Loc BL, Lynch TJ., A Case Report of Delayed Return of Spontaneous Circulation: Lazarus Phenomenon. Am J Med 129 (2016) e343-e344.

vgl. Cummings BM, Noviski N., Autoresuscitation in a child: The young Lazarus. Resuscitation 82 (2011) 134.

 

 

 

 

 


Hilfe beim Sterben, Hilfe zum Sterben oder Hilfe zum Leben?

Artikel im Swiss Medical Forum 2017;17(35):738-742

Grundlegender Artikel zur Rechtslage und ethischen Einordnung der verschiedenen Begriffe in der Debatte um die Sterbehilfe von Dr. med. Karen Nestor, Mitglied der Nationalen Ethikkommission (NEK), Dr. med.K. Ebneter, Dr. med. Ciril Hvalic, Prof. Dr. med. Michael Brändle, Dr. med. Daniel Büche

uebersichtsartikel-sterbehilfe-karen-nestor-smf-nr-35-2017


Neue künstlerische Gestaltung des Hippokratischen Eides

Dem Zürcher Konzeptkünstler Theo Dannecker* verdanken wir ein gelungenes Werk, das den Hippokratischen Eid in zwei Bildern visualisiert. An der Mitgliederversammlung der Hippokratischen Gesellschaft Schweiz im April 2017 stellte er seine Arbeit vor. Sie soll in Arztpraxen und Spitälern einen Platz finden und mithelfen, die zentralen Werte der ärztlichen Ethik – unabdingbar für eine menschliche Medizin – zu bewahren.

Theo Dannecker (*1938) lebt und arbeitet als Bildender Künstler in Zürich und führt seit 1972 in seinem Atelier die «Schule für Zeichnen und Gestalten». Er studierte Malerei an der Kunstgewerbeschule Zürich und Bildhauerei an der Königlichen Akademie in Kopenhagen. Längere Aufenthalte in Irland und Kanada folgten (….) 1974 fand seine erste grössere Einzelausstellung in der städtischen Kunstkammer zum Strauhof,  Zürich statt. Zahlreiche Gruppen- und Einzelausstellungen folgten. (aus: «Kunst, Pädagogik, Verantwortung», Jochen Krautz (Hg), ATHENA)

Die Drucke im Format 40 x 50 cm können zum Preis von CHF 250.-+ Porto bestellt werden bei: Hippokratische Gesellschaft Schweiz, Wingertweg 3, 7215 Fanas oder unter hgs.ch@gmx. Der Erlös der Bilder wird jeweils zur Förderung von wertvollen Projekten im Gesundheitswesen oder im humanitären Bereich verwendet. Der Ertrag der ersten 50 Bilder geht an die Stiftung Kinderspital Kantha Bopha von Dr. med. Beat Richner.

siehe auch unter Literatur

 


Vorstellung unserer Gesellschaft in der SAEZ Nr.40, 2016

In der SAEZ NR. 40, 2016 wird die Hippokratische Gesellschaft mit ihrem Positionspapier vorgestellt. Orginalartikel siehe unten:

vorstellung-hgs-saez-nr-40-2016


PRESSEMITTEILUNG: Die Hippokratische Gesellschaft Schweiz verurteilt die verabscheuungswürdige Tötung eines 17jährigen Jugendlichen in Belgien

PRESSEMITTEILUNG

Die Hippokratische Gesellschaft Schweiz verurteilt die verabscheuungswürdige Tötung eines 17jährigen Jugendlichen in Belgien
Es handelt sich um einen gravierenden Angriff auf die Menschenrechte, die christlich-europäischen Grundwerte und den Schutz des Lebens im Rechtsstaat

(mehr …)


Die Bedeutung des hippokratischen Eides für die heutige Zeit

Die Notwendigkeit eines neuen, verpflichtenden Eides wurde postuliert und andiskutiert. Begründet wird dies mit aktuellen Problemen wie der Ökonomisierung in der Medizin. Gleichzeitig versucht man, die Bedeutung des Hippokratischen Eides zu relativieren und ihn als unzeitgemäss abzutun. Die Hippokratische Gesellschaft Schweiz legt die unveränderte Aktualität des Hippokratischen Eides dar.

Zur Bedeutung des Hippokratischen Eides in der heutigen Zeit SAEZ Nr. 23 2016


Manifest für eine freie, verantwortungsvolle und menschliche Medizin

Das «Manifest für eine freie, verantwortungsvolle und menschliche Medizin» entstand unter Mitwirkung der Teilnehmer unserer Mitgliederversammlungen, weitere Gedanken verschiedenster Kollegen weit über unseren Verein hinaus wurden einbezogen.
Es soll die dringend notwendige Grundsatzdiskussion über die Entwicklungen in unserem Gesundheitswesen anstossen. Es geht darum, dass die ganze Bevölkerung darüber informiert wird, dass grundlegende Pfeiler unseres Gesundheitswesens in atemberaubendem Tempo zerstört werden. Ähnlich wie bei der Lehrplandiskussion (Lehrplan 21) soll der Arztberuf in seiner bisherigen Forma abgeschafft und wesentliche Aufgaben des Arztes durch dafür weniger qualifizierte Paramediziner übernommen werden (Apotheker, Gesundheitscoaches, Advanced Nurses, usw.). Die Qualität der Versorgung nimmt durch diese bereits laufenden Reformen dramatisch ab und der neu sogenannt «gesundheitskompetente» Patient wird auf sich selber zurückgeworfen.
Im Manifest werden diese Abläufe angesprochen, die wichtigsten Grundpositionen für eine freie, menschliche und verantwortungsvolle Medizin nochmals formuliert und festgehalten und Massnahmen vorgeschlagen. Das Dokument soll als Grundlage dienen, mit möglichst vielen Kolleginnen und Kollegen, aber auch mit Patienten und Mitbürgern diese Vorgänge zu diskutieren. Sie alle sind eingeladen, dieses Manifest zu unterzeichnen und im persönlichen Gespräch weiterzugeben. Kommentare und Vorschläge sind herzlich willkommen; wir freuen uns über jeden, der dieses Anliegen aktiv unterstützt. Kontaktperson ist unser Vorstandsmitglied, Frau Dr. med. G. Wirth Barben.

manifest-medizin.ch